Die Frau des Seiltaenzers
Tod eines Menschen billigend in Kauf genommen.«
»Schweinehirt ist nicht mein Buhle«, fuhr Magdalena dazwischen, »sondern ein treuer Reisebegleiter. In Zeiten wie diesen kann sich ein Weib nicht allein auf Reisen begeben.«
»Und was führte euch beide in unsere Stadt?«, erkundigte sich der Schultheiß mit gespielter Freundlichkeit.
»Die vielen Klöster«, antwortete Magdalena. »Schweinehirt und ich hofften in einem Eurer zahlreichen Klöster eine Anstellung als Bibliothekare zu finden. Bei den Zisterziensern in Eberbach fand unsere Arbeit durchaus Anerkennung.«
»Ein Weib als Bibliothekar!«, rief der Schultheiß voll Spott. »Hat man so etwas schon gehört?«
Magdalena schluckte. Sie hatte die passende Antwort parat, doch zog sie es vor zu schweigen.
»Und du?«, wandte sich der Schultheiß an Schweinehirt. »Bekennst du dich schuldig?«
»Nein, hoher Herr«, äußerte sich Schweinehirt kleinlaut. »Auch ich bin nicht in der Lage, einen Menschen zu töten, das müsst Ihr mir glauben, hoher Herr. Im Übrigen hätte ich keinen Grund gehabt, den Schriftgelehrten umzubringen. Er hat mir nichts getan.«
»Aber wenn er dir etwas angetan hätte, dann wärst du sehr wohl in der Lage gewesen …«
»Auch dann nicht«, unterbrach Schweinehirt den Schultheiß.
Der ließ die Pfisterin als Zeugin vortreten.
»Pfisterin«, begann er, »sind das die beiden Individuen, welchen du Unterkunft geboten hast in deinem Haus in der ›Hölle‹?«
Da brach die Wittfrau in Tränen aus und schluchzte: »Erst stirbt mein Mann einen frühen Tod, dann zündet man mir das Haus über dem Kopf an. Was habe ich nur getan, dass Gott mich so grausam straft?«
»Euer Haus ist …«, stammelte Magdalena, an die Pfisterin gewandt.
»Abgebrannt bis auf die Grundmauern. Wäret Ihr nicht im Kerker gesessen, ich hätte Euch im Verdacht. Wer mordet, zündet auch Häuser an!«
Magdalena wurde schwarz vor Augen. Sie war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, und klammerte sich an die Gerichtsschranke. Alles umsonst, hämmerte es in ihrem Gehirn. Es darf nicht sein. Hatte sich die ganze Welt gegen sie verschworen? Für alle sichtbar, schüttelte Magdalena den Kopf.
»Beantworte endlich meine Frage!«, herrschte der Schultheiß die Pfisterin an. »Sind das die Individuen?«
»Ja, sie sind es.«
»Und kannst du bezeugen, dass sie während der Nacht, in welcher der Mord im Dom geschah, nicht in ihrer Kammer waren?«
»Das kann ich bezeugen. Ich beobachtete, wie sie im Morgengrauen zurückkehrten, vom Domberg kommend.«
Der Schultheiß nickte zufrieden und rief den Türmer Kleinknecht als Zeugen auf.
»Dir geht der Ruf voraus, über alles Bescheid zu wissen, was in der Stadt vor sich geht«, versuchte der Schultheiß den Zeugen zu umschmeicheln.
Der Türmer nickte: »Ich sah die beiden aus dem Dom kommen und wunderte mich, was sie zu so früher Stunde, da die Domtüren noch verschlossen sind, dort wohl zu suchen hatten.«
Triumphierend meinte der Schultheiß in Richtung der Angeklagten: »Was habt ihr dazu zu sagen?«
Magdalena schüttelte den Kopf und sah Wendelin an. Beide blieben stumm.
»Da ist noch etwas«, bemerkte der Türmer Kleinknecht. »Als man die Wasserleiche aus dem Wehr zog, tauchten die beiden plötzlich auf, tuschelten miteinander und taten sehr aufgeregt, und als ich sie schließlich fragte, ob sie die Tote kannten, stritten sie dies mit aller Heftigkeit ab.«
Und die Pfisterin fügte hinzu: »Am Abend erwähnte die da gesprächsweise den Namen Xeranthe. Ich wurde nachdenklich und fragte, woher sie den Namen der Toten kenne, da antwortete sie, ich hätte ihn erwähnt. Doch kann ich mich nicht daran erinnern.«
Aus dem Gerichtssaal schallte eine dünne Stimme: »Mörder! Hängt sie auf, alle beide!«
»Hängt sie auf!«, stimmten andere ein.
Magdalena spürte, wie sich eine eiserne Hand um ihren Hals legte. Vergeblich rang sie nach Luft, glaubte zu ersticken und schloss die Augen.
Da vernahm sie eine vertraute Stimme. Sie glaubte zu träumen.
»Mein Name ist Matthäus Schwarz, Abgesandter der Fugger zu Augsburg. Ich habe in dem zur Verhandlung stehenden Fall eine Aussage zu machen.«
Der Mann drängte sich durch die dicht an dicht stehenden Gaffer nach vorne. Sein Äußeres verlieh ihm eine gewissen Würde. Nach spanischer Art gekleidet und mit einem hellblauen Umhang um den Schultern, stach er jeden Kardinal im Pluviale aus.
»Ihr seid wahrhaftig der Fugger-Statthalter?«, erkundigte sich der
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