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Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Titel: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Townsend
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anzuzünden. Alexander stand am Steuer, den Arm um die Schulter der Steuerfrau, und Venus war da und versuchte zu zeichnen, was man unmöglich zeichnen konnte – die Geschwindigkeit des Bootes, das Geräusch, das es macht, wenn es durchs Wasser stößt. Und sieh nur, Thomas, der versucht, Eva das Steuer zu entreißen.
    Sie wusste nicht, wohin es ging. Der Riss verschwand unter der Plastikleiste. Eva musste das Boot wenden und gegen den Wind und die Strömung ansteuern. Manchmal legten sie an, und die Passagiere gingen von Bord und wanderten durch die Wildnis auf weichem, weißen Sand.
    Aber da gab es nichts für sie.
    Als sie wieder beim Boot waren, überließ Eva Brianne das Steuer, mit den Worten: »Kümmere dich auch mal um was, Brianne. Bring uns sicher nach Hause.«
    Wolken wälzten sich über die Decke, der Wind blies ihnen ins Gesicht. Brianne hatte das Steuer fest im Griff und brachte sie nach Hause.

63
    Um Punkt acht Uhr wurde Eva von einem grässlichen Lärm aus dem Schlaf gerissen. Sie setzte sich auf und kniete sich vors Fenster. Ihr Herz schlug so schnell, dass ihr das Atmen schwerfiel.
    Ein Mann stand in ihrem Ahorn, mit Sicherheitsgurt, Helm und Schutzbrille. Mit einer Motorsäge rückte er einem Ast zuleibe. Entsetzt sah sie, wie der Ast brach und von einem Seil zu Boden gesenkt wurde. Andere Arbeiter standen bereit, um den Ast aus dem Seil zu befreien, die kleineren Äste und Zweige zu entfernen und in einen lärmenden Schredder zu stopfen.
    Eva hämmerte ans Fenster und schrie: »Stopp! Das ist mein Baum!«
    Doch draußen war so ein Lärm, dass man ihre Stimme nicht hörte. Sie schob das Fenster hoch und bekam prompt eine Ladung Späne ins Gesicht. Eilig schloss sie das Fenster wieder. Ihr Gesicht brannte, und als sie ihre Wange berührte, hatte sie Blut an den Fingern. Sie schrie und gestikulierte weiter. Kurz traf sie den Blick des Arbeiters, doch er wandte ihr den Rücken zu.
    Sie war entsetzt, wie schnell der Baum zerlegt war. Bald war nur noch der Stamm übrig. Sie hegte eine leise Hoffnung, dass ihr Baum nur radikal beschnitten worden war und im Frühjahr des nächsten Jahres neu ausschlagen würde.
    Der Lärm verstummte. Die Maschinen waren abgestellt worden. Jetzt, wo die Äste fort waren, konnte sie in den Vorgarten sehen. Die Arbeiter tranken Tee.
    Sie klopfte ans Fenster und schrie: »Lassen Sie den Stamm stehen, bitte lassen Sie den Stamm stehen.«
    Die Männer sahen zu ihrem Fenster hoch und lachten. Was dachten die, was sie von ihnen wollte? Dass sie zu ihr raufkommen sollten?
    Die Maschinen wurden wieder eingeschaltet, und kurz darauf war der Stamm zu Brennholz zerlegt. Im Vergleich zum gedämpften grünen Schimmern, das sie kannte, war das Licht im Zimmer jetzt gleißend.
    Sie fror, obwohl sie schweißgebadet war. Sie kroch unter die Decke und zog sie über den Kopf.
    Am frühen Nachmittag hörte Eva die Menge halbherzig applaudieren und Peters Leiter erschien am unteren Fensterrand. Sie strich ihr Nachthemd glatt, zog die eingelaufene Kaschmirstrickjacke über, die sie als Bettjacke benutzte, und fuhr sich unwillkürlich mit den Fingern durchs Haar.
    Peter rief durchs Glas: »Immer noch da?«
    »Ja«, rief sie aufgesetzt gut gelaunt zurück. »Immer noch da.«
    Eva fragte sich, wie jemand so herzlos sein konnte. War es ihm denn egal, dass ihr prächtiger Baum fort war?
    »Prächtig?«, lachte er, als sie das zu ihm sagte. »Es war ein Ahorn, das Unkraut der Baumwelt.« Er fügte hinzu: »Ich will ja nicht unhöflich sein, Eva, aber was ist mit Ihrem Gesicht passiert?«
    Eva hörte nicht zu. »Das war Brian«, sagte sie. »Er hat den Baum gehasst. Er hat gesagt, die Wurzeln wachsen durch das Straßenpflaster.«
    »Das stimmt ja auch«, bestätigte Peter. Er wollte gern über etwas anderes reden als den blöden Baum. »Nur noch hundertundzwölf Einkaufstage bis Weihnachten«, sagte er und kletterte ins Zimmer.
    Eva konnte Sandy Lake schreien hören. »Eva, langsam bin ich böse! Warum darf ich dich nicht besuchen?«
    Peter lachte. »Wir besorgen Abigail einen motorisierten Rollstuhl. Na ja, wir und das Sozialamt.«
    Eva fragte: »Peter, würden Sie mir einen Gefallen tun? Würden Sie mir helfen, das Fenster von innen zuzunageln?«
    Seiner Meinung nach war es mit ihr rasant bergab gegangen – früher hätten sie zusammen eine Tasse Tee getrunken und eine geraucht. »Klar«, sagte er.
    Peter hatte sich in den zwanzig Jahren, die er schon Fenster putzte, daran gewöhnt, dass die

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