Die Frau, die nicht lieben wollte und andere wahre Geschichten über das Unbewusste (German Edition)
kam am Freitagabend nach London zurück. Doch seit seinem Umzug hatte Henry bereits mehrere Wochenenden in Paris verbracht – er war nicht zu Lotties Geburtstag im Januar erschienen und hatte das Valentine-Wochenende im Februar verpasst. Im März beschlossen sie, dass Francesca und Lottie über Ostern zu ihm in die Pariser Wohnung kommen sollten.
Während unserer ersten Sitzung nach der Osterpause erzählte mir Francesca von diesem Besuch.
»Freitagabend kamen wir am Gare du Nord an. Henry wartete auf uns. Wir fuhren mit dem Taxi zu seiner Wohnung im Marais und aßen alle gemeinsam zu Abend. Es fühlte sich gut an, wieder eine Familie zu sein. Wir brachten Lottie zu Bett und gingen in die Küche, um aufzuräumen und ein Glas Wein zu trinken.
Als ich die Spülmaschine aufmachte, wusste ich sofort, dass irgendwas nicht stimmte, doch brauchte ich eine Sekunde, um zu begreifen, was es genau war.
Plötzlich ergab alles einen Sinn – die geflüsterten Telefongespräche, der Spitzname »Stecher«, Lotties verpasster Geburtstag. Es war wie in einem dieser Quizspiele. Da gibt es immer einen Moment, in dem man genügend Buchstaben beisammen hat – nicht alle, aber genug, – und plötzlich ist die Lösung klar. Genau so war es. Ich brauchte keine weiteren Informationen. In der Spülmaschine waren zwei Kaffeetassen, zwei kleine Frühstücksteller, zwei Messer, zwei Gläser und zwei Teelöffel, alle genau da, wo sie hingehörten – nicht einfach wahllos hineingestopft, wie es Henry immer tat. Es war, als hätte sie mir eine Nachricht hinterlassen.
Und ich habe ihn gefragt: ›Wer hat die Spülmaschine eingeräumt? Sag, wer hat die Spülmaschine eingeräumt?‹«
Über Intimität
Als Joshua B. kaum ein Jahr nach dem Ende seiner Analyse anrief, hatte ich kein gutes Gefühl. »Haben Sie diese Woche noch Zeit?«, fragte er.
Er kam wenige Stunden später, schaute sich um und sagte: »Neue Vorhänge.« Dann setzte er sich. »Ich bin ein Idiot, ein totaler Idiot«, sagte er. »Ich begehe eine schreckliche Dummheit und weiß doch nicht, wie ich davon ablassen soll.«
»Was ist passiert?«, wollte ich wissen.
»Ach, keine Sorge – mit Emma und dem Baby ist alles bestens. Sie sind okay.« Er trank einen Schluck aus der mitgebrachten Wasserflasche. »Aber ich treffe mich mit dieser Frau.« Er schaute mich an, versuchte, meine Reaktion zu ermessen. »Sind Sie überrascht?«
»Warum erzählen Sie mir nicht von ihr?«
Joshua traf sich mit einer Frau namens Alison, einer zweiundzwanzigjährigen Escort-Dame, die er übers Internet kennengelernt hatte. Seit einigen Monaten traf er sie mehrmals die Woche und telefonierte täglich mit ihr oder schrieb Textnachrichten. Er war ihr behilflich, ihr Leben zu verändern, hatte ihr einen Laptop besorgt und kürzlich vor einem Bewerbungsgespräch Kleider mit ihr eingekauft.
»Letzte Woche habe ich versucht, mit ihr Schluss zu machen. Wir hatten vereinbart, dass ich ihr half, aber unter der Bedingung, dass sie mit ihrer Arbeit aufhörte. Und dann fand ich heraus, dass sie nicht aufgehört hatte, also habe ich die Beziehung beendet. Am nächsten Tag rief sie mich an, um mir zu sagen, wie sehr sie mich vermisse und dass sie mich sehen müsse. Ich gab nach. Ich bin nicht blöd – ich weiß, was auf dem Spiel steht, wenn ich nicht aufhöre, aber ich kann nicht.«
Während er redete, dachte ich über sein Timing nach. Emma, seine Frau, hatte gerade einen Jungen geboren. War Joshua zu einer Prostituierten gegangen, weil er Sex und Liebe trennen musste? Versuchte er, Emma vor Begierden zu schützen, die er schmutzig oder falsch fand? Ich begann, Joshua meine Gedanken darzulegen, aber er unterbrach mich. »Nein, Emma und ich haben immer noch Sex. Und mit Alison hatte ich keinen Sex.«
»Moment mal«, sagte ich. »Das verstehe ich jetzt nicht.«
»Beim ersten Mal hatte ich mich mit Alison zum Sex verabredet. Ich habe bezahlt, aber dann sagte sie mir, sie hätte versehentlich zwei Männer zur selben Zeit bestellt – ob es mir etwas ausmache, eine Stunde in einem Café um die Ecke zu warten? Ich habe gewartet und nicht damit gerechnet, dass sie sich blicken lassen würde, aber sie kam.« Er erzählte, sie hätten sich lange unterhalten, und sie sei einfach toll, wirklich bemerkenswert. Sie bot an, ihm sein Geld zurückzugeben, aber er hatte gesagt, sie solle es behalten. Am nächsten Tag trafen sie sich wieder und setzten ihr Gespräch fort.
»Und das alles ohne Sex?«, fragte
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