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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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Mann auf dem Bürgersteig. Er mustert mich besorgt. Er ist um die dreißig, mittelgroß, mit einem breiten Gesicht, einer wuchtigen schwarzen Brille und lockigem braunen Haar, das ihm fast bis zur Schulter reicht. Eine Hand steckt in der Tasche. Irgendetwas daran wirkt kontrolliert, eine gezügelte Kraft, Wor­te, die von verschlossenen Lippen zurückgehalten werden.
    Er überquert die Straße, kommt zügig die Stufen hinauf und streckt seine Hand aus. »Larry Wozniak, ein alter Freund von Ned.«
    Ich schüttele seine Hand – sie ist warm und trocken. Mir fällt auf, dass ich seine linke Hand in meiner linken Hand halte.
    »Furchtbar, nicht? Er war noch so jung.« Er scheint zu wissen, dass er Plattitüden von sich gibt.
    Ich stimme undeutlich zu und gehe die Stufen hinab. Es war eine lange Beerdigung, und ich bin nicht in der Stimmung für Geplauder.
    »Sie waren auf dem Boot, oder?«, fügt er eilig hinzu, während er mir folgt. »Ich habe Ihr Foto in der Zeitung gesehen und Sie wiedererkannt. Ich, äh … ich wollte wissen, ob … Waren Sie und Ned, äh –? Wie gut kannten Sie ihn?« Er ist rot geworden und fängt an zu stottern.
    »Wenn Sie wissen wollen, ob wir ein Liebespaar waren, dann lautet die Antwort nein. Freunde, ja. Aber nur bis zu einem gewissen Punkt.«
    »Tatsächlich?« Er sagt das so, als wäre meine Antwort sehr viel interessanter, als sie im Grunde ist, und passt seine Schrittlänge der meinen an. »Was meinen Sie mit ›bis zu einem gewissen Punkt‹?«
    »Ich meine damit, dass ich mit seiner Ex-Freundin befreundet und die Patentante seines Kindes bin. Ich bin mit ihm auf dem Hummerboot rausgefahren, weil er Hilfe brauchte. Es war ein neues Boot, er hatte sich gerade erst selbständig gemacht und noch keinen festen Mann fürs Achterdeck gefunden. Es war Samstag, ich hatte nichts Besseres vor, also habe ich zugesagt. Ich probiere gern neue Dinge aus.«
    »Oh, mir war nicht klar, dass Sie kein richtiger Fischer sind.«
    »Nein, ich tue nur so. Man könnte auch sagen, ich bin ein ­fischender Dilettant. Obwohl diese Unterscheidung, denke ich, eigentlich keine Rolle mehr spielen sollte, wenn man in ein tödliches Unglück auf See verwickelt war.«
    »Nein, vermutlich nicht.« Er wirkt auf eine Art zurückhaltend, bei der man merkt, dass sie nur flüchtig ist. »Ich nehme an, Ned hat Ihnen erklärt, was zu tun war.«
    »Er hat mir gezeigt, wie man die Ködertaschen der Hummerkörbe füllt, bevor wir den Hafen verließen. Sagte, auf dem Rückweg würde er mir zeigen, wie man die Reusen einholt. Wir wollten vor Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause sein.«
    »Hat er jemals gesagt, warum er so plötzlich auf Hummerfang umgestiegen ist?«
    »Ned hat zwanzig Jahre lang auf kommerziellen Fang- und Verarbeitungsschiffen und auch in der Langleinenfischerei gearbeitet. Vielleicht war er es leid, für ein seelenloses Unternehmen wochenlang auf dem Meer Grundfische zu fangen, und wollte sein eigenes Boot, sein eigenes kleines Unternehmen. Erscheint mir logisch.«
    »Aber er hat nie genau gesagt, wieso?«
    »Er hat nie viel über sich geredet. Dafür ausgiebig über die Red Sox, Bruins und Patriots. Und über das Wetter. So wie Schöner Tag heute, nicht? Oder Sieht für mich nach Regen aus.«
    Larry hat sich die ganze Zeit um Laternenpfähle und Briefkästen geschlängelt, um auf dem schmalen Bürgersteig mit mir Schritt zu halten. Er trägt einen schäbigen alten Trenchcoat über einem dunkelgrauen Nadelstreifen-Sakko, dazu schwarzes T-Shirt und Jeans. Ich finde, er hätte für den Anlass wenigstens passendere Hosen anziehen können. Manchmal fühlt es sich so an, als gäbe die ganze Welt auf und ginge zur Schlampigkeit über. Vermutlich habe ich ein bisschen was von Phyllis.
    »Warum wollen Sie das alles wissen?«, frage ich zunehmend genervt.
    »Reine Neugier, nehme ich an. Wir hatten den Kontakt verloren. Ich wusste nicht, was er so trieb.« Dann, als sei ihm gerade die Idee gekommen, fragt er: »Darf ich Sie zu Ihrem Wagen begleiten?«
    »Wir sind schon da«, sage ich und stecke den Schlüssel in die Tür des Saabs.
    Er scharrt unbeholfen mit den Füßen. »Eines noch: Haben Sie, äh, haben Sie gesehen, wer Sie gerammt hat?«
    »Sie meinen das Boot, das uns überfahren hat?« Ich kann gar nicht glauben, dass er mich das jetzt fragt.
    Er schaut weg. »Ja, haben Sie den Namen auf dem Heckbalken oder irgendwelche Nummern an der Seite gesehen?«
    »Nein, ich habe den Namen nicht gesehen. Für mich war es

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