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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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Herausforderungen und Rettungen in letzter Minute. Über Sachen, die nicht hätten passieren dürfen und doch geschehen waren. Über Verlierer, die bekommen hatten, was sie verdienten. Er war zynisch, anstößig, loyal und oft unaufrichtig. Er hatte Feinde, aber noch mehr Freunde, die ihn dafür respektierten, dass er die Dinge tat und sagte, die sie sich nicht trauten. Von Zeit zu Zeit gewährte er mir einen Blick in seine Seele. Dort kämpften Engel gegen Dämonen. Die meiste Zeit lagen sie punktemäßig nah beieinander; doch manchmal lagen die Dämonen vorn. Man sah, wie er außer Kontrolle geriet – die plötzlichen Anfälle dunklen Grübelns; die winzigen, hässlichen Grausamkeiten; der bösartige Mangel an Selbstachtung. Frauen fanden ihn sexy, doch die meisten hielten sich von ihm fern.
    Ned und er waren zusammen in Southie aufgewachsen und lebten nie weit voneinander entfernt. Als Thomasina und Ned zusammenkamen, erschien es John und mir logisch, dasselbe zu tun. Ich habe damals viel getrunken, sogar mehr als Thomasina, und dachte nicht besonders viel über mein Handeln nach, ließ mich einfach wie ein Korken mit der Strömung treiben, egal wohin, Hauptsache schnell. Meine Beziehung zu John Oster ähnelte zu Anfang einem dissonanten Musikstück, dauerte länger, als ich gedacht hatte, geriet vorhersehbar ins Straucheln, als unsere erheblichen Unterschiede aufeinanderprallten, und wurde gegen Ende ziemlich übel. Im Laufe der Jahre hörte ich hin und wieder etwas von ihm, meistens über Ned. Die beiden arbeiteten für eine Firma namens Ocean Catch Seite an Seite auf Hochsee-Trawlern und in der Ringwadenfischerei, bis Ned schließlich kündigte.
    Johnny legt Thomasina in einer halbherzigen Beileidsbekundung lässig einen Arm um die Schulter, während er mich nicht aus den Augen lässt. »Wie geht’s, Fremde?«
    »Habe gehört, du hast geheiratet«, erwidere ich. »Glückwunsch.«
    »Ja, richtig. Hab jetzt vier Jungs. Hält uns auf Trab.«
    »Vier? Du verschwendest keine Zeit.«
    »Kevin, Sean, Riley und Patrick. Bei uns wird’s nie langweilig.« Doch seine Augen sagen etwas anderes. Nämlich, dass es oft verdammt langweilig wird.
    »Habe ich mal das Vergnügen, sie kennenzulernen?«
    »Sie sind zu Hause bei meiner Frau.« Pause. »Ich habe gehört, du hast nicht geheiratet?«
    »Mir gefällt meine Freiheit.«
    Seine Augen glänzen. »Ja. Das war schon immer so.«
    Das ist die Art von Bemerkung, um die man einen weiten Bogen machen sollte, besonders wenn sie von einem Ex kommt.
    »Denkst du noch manchmal an mich?«, fragt er einfach so.
    »Ich versuch’s zu vermeiden.«
    »Ich denke auch nicht an dich.«
    Thomasina, die der Unterhaltung mit einem seltsamen Vergnügen folgt, gibt so etwas wie ein ersticktes Bellen von sich.
    »Wie wäre es trotzdem mit einem Tanz, wegen Ned und der guten alten Zeit?«, fragt Johnny.
    Klingt für mich ganz in Ordnung. Was sonst sollte man auf einer irischen Beerdigung zu Ehren des Verstorbenen tun, wenn nicht mit einem Typen zu tanzen, den man mal flachgelegt hat? Wir gehen hinüber zu einer winzigen Parkettfläche in der Mitte des Raumes. Nur ein anderes Pärchen schwoft langsam zum Klang von »Beast of Burden«. Eigentlich bin ich ganz froh. Mein Körper fühlt sich an, als wäre er in einer Gruft eingeschlossen gewesen, und ich muss ihn wieder zum Leben erwecken. Johnny trampelt etwas rum und findet dann den Groove. Seine Augen sind halb geschlossen, und seine Haut wird vom Schein der farbigen Lichterkette an der Wand grellbunt beleuchtet. Es fühlt sich seltsam okay an, sich ihm gegenüber zur Musik zu wiegen. Weil ich weiß, dass er Ned gern gehabt hat. Weil er auch trauert.
    Inzwischen haben sich andere zu uns auf die Tanzfläche gesellt. Ich tanze eine lange Zeit ohne Unterbrechung – mit Johnny, mit einem anderen Typen und mit Noah, der mit seiner Krawatte zauberhaft aussieht. Ich wirbele herum und lasse mich von der Musik durchströmen, bis sie alle Anspannung, die sich in mir angesammelt hatte, weggespült hat. Danksagungen fließen von meinem wunden Herzen zu Led Zeppelin, The Band und den Rolling Stones.
    Der Typ, der sich mir vor der Kirche vorgestellt hat, Larry Sowieso, sitzt am Tisch einer lärmenden Gruppe von Neds Fischerkumpels. Die meisten tragen blaue Anzughemden mit gelockerten blau gestreiften Krawatten. Blau auf blau scheint die Farbkombi für Männer zu sein, die sich in anderen Klamotten wohler fühlen. Larry sagt nicht viel. Vielleicht hält er

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