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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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… Ingenieur. Damals musste ich vernünftig sein. Damals hab ich gegen meine Neigung zur Schöngeisterei die Rechnerei gesetzt. Und heute, wo die Rechnerei zur Ideologie geworden ist, setze ich die Schöngeisterei dagegen und die Malerei   … Na, da ist mir aber eine hübsche Formel unterlaufen, da haben Sie was von mir auf dem Band, was Sie getrost nach Hause tragen können. Löschen Sie das bitte nicht! Auch nicht aus Versehen. Das ist ein Satz, den ich mir merken muss: Heute, wo die Rechnerei zur Ideologie geworden ist, setze ich wieder auf   … Genau   … Aber jetzt muss ich erst mal was anderes, entschuldigen Sie mich einen Moment   … Nee, nee, junger Mann, das könnte Ihnen so passen, Schluss mit den Fragen zur Kunst! Vorher gehen wir brav zurück ins Jahr Sechsunddreißig, es wird Zeit, dass wir über meine Maschinen plaudern und die Geheimnisse des Gleitkommas   … Alles schön der Reihe nach, die Kunst kommt am Ende der Tagesordnung, immer am Ende   … Jetzt gehn wir zur Burg rauf, einverstanden?   …

(Der erste Urlaub meines Lebens)
     
     
     
    Der Tisch läuft uns nicht weg   … Ja, den Recorder nehmen wir mit. Wer weiß, vielleicht fällt mir oben auf dem Stoppelsberg noch was ein, so was wie eben mit der Rechnerei und der Schöngeisterei, unddann würd ich mich ärgern. Und Sie sich erst recht. Sie können mir das Mikro an die Jacke klemmen. Was die Fernsehfuzzis dürfen, das dürfen Sie doch allemal, und Sie stecken das Gerät wieder in die Tasche. Der Recorder, den man in den Spazierstock bauen kann, ist ja leider noch nicht erfunden   … Schon haben Sie wieder eine Szene für Ihre Memoiren. Sie dürfen sich rühmen, einmal im Leben mit mir verkabelt gewesen zu sein   … Wenn ich die asphaltierten Feldwege sehe, dann denk ich immer, was wir für ein reiches Land geworden sind. Ich hab noch den Matschweg vor Augen, wo die Kühe den Wagen gezogen haben und die Stoppeler Bauern die Mütze   … Und dann die Manöver, wenn die Amis mit ihren Panzern und Jeeps sich hier ausgetobt haben, da konnten Sie den Gang zur Burg Hauneck vergessen   … Irgendwann gab’s ein anständiges Schotterbett und dann der Asphalt, jetzt könnten die Förster hier Porsche fahren und die Bauernjungs im Ford Mustang auf die Felder   … Bisschen Spott muss sein, junger Mann. Bin ganz zufrieden mit den rentnerkompatiblen Asphaltwegen, auf einem Feldweg der fünfziger Jahre mit Grashuppeln und Matschlöchern möcht ich nicht gern herumstolpern mit meinen drei Beinen   … Auch eine völlig unterschätzte Ingenieurleistung, die zuverlässigen Wasserwerke   … Nein, das schaff ich ohne Probleme, so kleine Steigungen   … Oben, wo es steil wird, da gucken wir einfach, wie hoch wir kommen   … Bewegung tut gut, das Wildgulaschwill bewegt werden, das Wild will in den Wald   … Haben Sie eine vernünftige Erklärung dafür, dass der Mensch am Waldrand immer Wild essen will und am Meer immer Fisch?   … Na, sehr originell ist das nicht, lassen wir das   … Ja, hier oben hab ich meine ersten Urlaube verbracht in den frühen fünfziger Jahren. Sehen Sie, da hätten wir uns schon begegnen können auf den Wegen rund um den Stoppelsberg, ich, der Hexenmeister der Rechnerei aus Neukirchen, und Sie, der Volksschüler aus Wehrda beim Ausflug,
Das Wandern ist des Müllers Lust
… Wie viele Schulklassen mir hier schon begegnet sind   … Der erste Urlaub meines Lebens, ich erinnere mich genau, 1951 hier oben im Gasthaus, fließend kaltes Wasser, das war der ganze Luxus. Aber die Betten waren in Ordnung, sonst wär ich nicht geblieben. Was hab ich unter schlechten Betten gelitten auf meinen vielen Reisen   … All die Jahre vorher war ja an Urlaub nicht zu denken, das Los der Selbständigen. Und noch vorher, als junger Mann   … Wenn Sie einmal besessen sind von Ihrer Idee, dann kommt Ihnen kein Urlaub in den Sinn, da stört Sie schon der schlichte Gedanke an Urlaub. Da können Sie froh sein, wenn Sie Freunde haben oder Eltern, die Sie am Sonntagnachmittag rauslocken für drei Stunden   … Jeden Tag nach dem Mittagessen eine halbe Stunde an die Luft, auf den Kreuzberg meistens, der lag ja vor der Tür, oft mit einem Freund, und vor lauter Fachgesprächen sind wir kaum zum Durchatmen gekommen   …Na, was schätzen Sie, wie oft ich damals ins Strandbad Wannsee gefahren bin? In den zehn Jahren zwischen Sechsunddreißig und Fünfundvierzig? Gut, Fünfundvierzig zählt nicht mehr, also Vierundvierzig  

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