Die Frau, für die ich den Computer erfand
Ingenieur aus Nazideutschland, fast im Alleingang bei einigen entscheidenden Ideen und Entwicklungen ein paar Nasenlängen voraus war, ihnen, den großenProfessoren und Nobelpreisträgern mit Millionen Forschungsgeldern und ganzen Universitäten, mit dem Militär und den mächtigsten Firmen im Hintergrund. Was hab ich unter der Arroganz gelitten! Arroganz war das, nicht Stolz. Gegen amerikanischen Stolz hätte ich nichts gehabt, aber diese amerikanische Arroganz … Das waren ja Götter. Die Atomforscher, die sind von ihren Sockeln gerutscht nach Hiroshima, die konnte man nicht mehr so richtig vorzeigen. Dafür sind die großen Computerforscher aufgestiegen, ohne die es all die Beschleunigungen und Entwicklungen der letzten fünfzig Jahre nicht gegeben hätte, die Götter des Fortschritts, die Sieger unter den Siegern, die Stars. Und die werden plötzlich von so einem kleinen Zwerg aus Germany gestört, der sich neben ihren Sockel stellt und kräht: Ich bin auch noch da! Und nicht aufhört mit seinen frechen Behauptungen und Beweisen. Ich geb zu, ich bin nie geschickt gewesen in der Selbstvermarktung, immer viel zu bescheiden im P R-Business – und auf so einen hören die Amis erst mal gar nicht. Heute ist das anders, endlich, jetzt haben sie nach und nach auch ihre Bücher über die Geschichte der Hochleistungsrechnerei umschreiben müssen, und mein bescheidener Name ist von den Fußnoten in den Hauptteil gewandert. Sie können sich vorstellen, das ist eine meiner großen diebischen Freuden, lange genug bin ich mit dickem Hals herumgelaufen als verkannter und unterschätzter Erfinder. Und heute kennich keinen, der mir diese Freude nicht gönnt … Und der mir die Freude an den Himbeeren nicht gönnt. Lassen Sie sich’s schmecken …
(Schöngeisterei und Rechnerei)
Wie bin ich jetzt auf die Amis gekommen? … Diese Sachen sind doch bekannt genug, oder? Da hätten Sie auch nach Braunschweig fahren können, da hören Sie das ganz ähnlich, in diesen Minuten, im Ton der vornehmen Großsprecherei. Nein, Verzeihung, in gesetzter, würdevoller Rhetorik, Frackrhetorik … Freut mich, wenn ich Sie zum Lachen bringe … Nein, was ich sagen wollte, das Leben ist nicht so gradlinig, da geht es nicht so logisch von Erfolg zu Erfolg, wie das im Museum oder in den Memoiren oder in den Nachrufen aussieht. Oder im Braunschweiger Festsaal. Das Leben ist Zufall, ist chaotisch und richtet sich nicht nach Schaltplänen … Sagen Sie es ruhig deutlicher: ich rede banales Zeug … Da schweigen Sie höflich, schon gut … Es war nur eine schlechte Überleitung zu Ihrer Frage, zur Antwort auf Ihre Frage, auf die ich eigentlich erst später eingehen wollte, warum es mich zur Kunst drängt … Weil ich … Nein, ich muss anders anfangen … Nehmen Sie die Himbeere hier auf dem Löffel. Versuchen Sie, nicht an Brustwarzen zu denken, nicht an meine Ada oder irgendeine andere Frau. Nicht an Hessen oder Polen. Auchnicht an Ihre Kindheit, als Sie im Garten heimlich die verbotenen Früchte und so weiter. Nicht an Himbeereis oder Himbeergeist oder Himbeermarmelade. Schauen Sie das Ding selbst an. Schauen Sie, so lange Sie können. Schauen Sie, die Form, die Farbe, die kleinen Bausteine, die feinen Stockwerke, diese zarten Waben. Das Zarte schlechthin. So lange, bis Sie zu staunen anfangen. Hören Sie nie auf zu staunen! Und jetzt in den Mund damit, über die verschiedenen Geschmackszonen der Zunge. Herrlich! Meine Mutter hätte gesagt, eine Gottesgabe. Ich sage, ein Wunder. Was mir kein Computer der Welt zusammenrechnen und zusammenbauen kann, auch in hundert Jahren nicht, selbst mit den schönsten genetischen Codes für Himbeeren und mit den raffiniertesten künstlichen Duftmarken nicht. Mit Null und Eins ist da nichts zu machen, mit Ja und Nein auch nicht. Sehen Sie, und deshalb behaupte ich, die Zukunft gehört der Kunst. Ohne Kunst ist das Leben ein Irrtum, wer sagte das? Hab ich vergessen … Danke. Wenn ich, Vorsicht, jetzt steig ich auf den Sockel, als Pionier der Computer, als Pionier des Programmierens und der Künstlichen Intelligenz, wenn ich jetzt auf die Kunst poche, will ich damit auch provozieren, ist doch klar … Stimmt, die war immer schon da, die Neigung zur Kunst. Aber Neigung ist zu wenig, Neigung reicht nicht, Leidenschaft muss man haben … Und die hatte ich als junger Student. Wie gern wär ich ans Theater gegangenoder ins Atelier, als Maler, Zeichner, nichts da
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