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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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leicht schwindlig blicken Sie und ich auf unsere alten Dörfer hinab   … Und dann in der Abendsonne   … Mir kommt hier oben sogar das Wort Heimat in den Sinn, und das will was heißen für einen Berliner   … Man hört förmlich die Männergesangvereine aus den Tälern röhren
Im schönsten Wiesengrunde
… Neukirchen hatte einen, Wehrda auch?   … Gab es da nicht Sängerfeste und Wettbewerbe?   … Heute ist alles die Großgemeinde Haunetal, ich werd mich nie dran gewöhnen   … Hier bin ich gern allein gewesen und hab den Blick schweifen lassen über die Wälder und Felder und Dörfer, rundum in der Ferne die Bergketten. Das ist ja der Witz, man schaut auf die Berg- und Tallandschaft aus dem Bilderbuch mit Fachwerk und wogenden Kornfeldern, und in Wirklichkeit ist das die Rennbahn Nord-Süd und ein Verkehrsknotenpunkt erster Ordnung. Die Autobahnkreuze am Herzberg und bei Kirchheim drüben, und direkt unter uns rast der Intercity-Express durch die untertunnelten Wälder, und auf der alten Strecke der Express nach Osten, nach Thüringen   … Entschuldigung, Sie kennen sich ja aus, ich erzähle das fast automatischwie ein Fremdenführer, weil ich schon vielen Leuten begreiflich machen musste, was mich in diese Gegend getrieben hat, und erst recht, was mich in dieser Gegend gehalten hat   … Es versteht ja keiner, weshalb ich nicht spätestens Mitte der fünfziger Jahre nach München gegangen bin oder in den Frankfurter Raum   … Und dann, die Flugzeuge. Das haben Sie früher sicher auch beobachtet, wie die Flugzeuge genau hier über der Vorderrhön, wo der Luftkorridor, wo die russische Zone endete, genau hier über dem Stoppelsberg, wie die Maschinen aus Berlin ihre Linkskurve machten und Richtung Frankfurt und München abgedreht sind und umgekehrt die Rechtskurve nach Berlin. Der Luftkorridor ist nun abgeschafft, aber auch heute noch fliegen sie über uns ihre Kurve   … Alles um diesen Berg herum in rasender Bewegung, und ich, selbst ich komme aus dem Staunen nicht raus, dass es fast keine Fortbewegung mehr ohne Computer gibt. Fußgänger, Radfahrer nehmen wir mal aus, bis auf weiteres, aber sonst kommt doch kein Mensch mehr von Ort zu Ort ohne Computer, ob auf der Straße, der Schiene oder in der Luft   … Für Sie ist das banal, aber verstehen Sie, was da in mir vorgeht?   … Wälder und Felder, die ganze grüne Landschaft sieht von oben fast aus wie vor fünfzig Jahren oder sagen wir wie 1951, und doch ist alles, ich sage alles, total anders geworden   … Damals hab ich hier gestanden und gedacht, jede größere Stadt sollte einen Rechner haben und jede Uni einen,das war völlig utopisch, man hätte mich für verrückt erklärt, wenn ich das laut gesagt hätte   … Und heute, auf jedem Schreibtisch einer, die Computer sind bis in die Dörfer vorgedrungen, bald führt kein Bauer mehr seine Geschäfte ohne so ein Gerät in der guten Stube   … Da werd ich ganz still, ganz bescheiden   … Wie diese Basaltsteine, zehn Millionen Jahre sollen die alt sein oder zwanzig Millionen   … Der Verkehr rast um den Stoppelsberg herum, und ich werde immer ruhiger   … Mein Leben, ein Traum, ich kann es nur so abgedroschen sagen. Mitsamt den Enttäuschungen, die zum Traum gehören   … Gehn wir, jetzt hab ich dem Gott der Nostalgie mein Opfer gebracht   … Zehn oder zwanzig Millionen Jahre   … Schluss damit   …

(Land der offenen Fernen)
     
     
     
    Diesen Blick, abwärts nach Osten, den mag ich besonders   … Heute brauchen wir nicht mehr zu überlegen, zwischen welchen Bergen läuft sie denn nun genau, die Grenze? Ist der Berg da hinten oder der da schon Ostzone, steht da der Russe?   … So milde, was für ein Sommerabend   … Der Ausschnitt hier, am Waldrand entlang über die Felder und Wiesen zu den Kegelbergen und der riesige Himmel, das wäre ein Motiv für Nolde oder Schmidt-Rottluff. Die Landschaft gibt doch so viel her wie Worpswede oder die Nordsee, finden Sie nicht? Die wellige Hochebene mitden lustigen Spitzen   … Nur das Licht, nun ja. Auch die unbestechlichsten Maler lassen sich bestechen, von einem lassen sie sich bestechen, vom Licht. Was hätte die Rhön profitieren können, wenn hier ein paar wirkliche Maler gehaust hätten! Die ganze Basalt-Gegend   … Felsen, ein teuflisch schwieriges Sujet   … Die Rhön hat Pech gehabt, keine Künstler als Trendsetter. Sagt man doch, oder? Die Leute müssen sich ja schwer abstrampeln, um ein bisschen Umsatz in

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