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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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höflicher Mensch bin, vorbeten musste, was ich jahrzehntelang allen Laien vorgebetet habe und was heute jeder Hilfsschüler weiß: programmgesteuerte Rechenmaschine mit Speicherwerk   … Also gut, bis 1936 werden Sie hoffentlich mithalten, bis zur A1   … Nehmen Sie mir das nicht übel, meine Belehrungen, Sie sind ein erwachsener Mensch. Aber ich muss schon wissen, obSie wenigstens das Minimum, sagen wir 0,01   Prozent verstehen von der Sache, über die wir plaudern. Ich will dem Laien verständlich bleiben, aber ein bisschen was erwarten vom Laien muss ich auch   … Was denken Sie, wie viele Leute in Europa herumlaufen, ich nehme mal nur Europa, die nie etwas gehört haben vom binären System? Fragen Sie mal die Leute hier auf der Terrasse nach dem binären System, man wird das bestenfalls für was Musikalisches oder was Pornografisches halten. Und was schätzen Sie, wie viele Leute in Deutschland, die Abitur haben, auf die entsprechende Frage antworten können: ja, Leibniz war es, der ein neues Zahlensystem erfunden hat, das auf den Ziffern Null und Eins aufgebaut ist, und der eine entsprechende Rechenmaschine aufs Papier gekritzelt hat. Keine fünf Prozent wissen das – die Grundlage des Rechnens heute, der gesamten Computerei und aller Fortschritte, auf allen Gebieten! Keine fünf Prozent, der Gebildeten! Am Ende des 20.   Jahrhunderts wissen nur fünf Prozent von dem Geniestreich von 1679! Alle andern kommen mit ihrer Bildung nicht weiter als bis zum Leibniz-Keks, und der stirbt auch bald aus   … Ich bin ja ein geduldiger Mensch, aber dazu hab ich wirklich keine Lust mehr, bei diesen Fünfundneunzig-Prozent-Journalisten immer wieder mit Adam und Eva, bei Null und Eins anzufangen   … Ja, ich nehme auch Himbeeren mit Vanilleeis, also zweimal bitte. Sind die hier aus der Rhön?   … Habt ihr noch genug? Dann diedoppelte Portion, Sie auch?   … Sind Sie enttäuscht? Dass ich Sie diesmal nicht gefoppt habe? Dass diesmal keine Anekdote herausspringt, mit der Sie Ihren Enkeln imponieren können? Vielleicht erzählen Sie Ihren Enkeln ja von den Himbeeren und einem alten Mann, der überall Himbeeren sieht   …

(Ein Zwerg aus Germany)
     
     
     
    Ach, meine Kindheit, lassen wir das, das ist so eine typische Nullachtfünfzehnfrage, das haben Sie doch nicht nötig. Diese Fragen, wann es anfing mit meinen technischen Neigungen und Fertigkeiten, als Kind, in der Schule, in der Pubertät, der Stabilbaukasten, und welche Lehrer das Verdienst haben, mein Talent gefördert zu haben, Schülerstreiche und so weiter, der ganze Kinderkram – darüber hab ich geschrieben, ausführlich genug. Das ist abgeschlossen, da kann ich nichts Neues mehr nachtragen   … Ich gehöre auch nicht zu den Alten, die nie richtig erwachsen geworden sind und die immer noch was an ihrer Kindheit zu vergolden haben oder zu beklagen, was ja noch komischer ist. Manche bohren ganz weit zurück, bis zum Säugling, ob einer da schon glücklich oder unglücklich und ob da was faul gewesen ist zwischen Vater und Mutter. Ich bin in der Hinsicht völlig uninteressant. Mein Vater hat alles getan, damit ich meiner fixen Idee nachgehen konnte, und meineMutter hat nicht nur mich, sie hat alle meine Freunde und Helfer bemuttert   … Wissen Sie, ich hab keinen Grund zu klagen, Pech für Sie, ich bin ein ziemlich zufriedener Mensch. Meine Geräte sind heute die Schmuckstücke in den großen Museen, was will ich mehr. Die Memoiren finden Sie im Buchhandel, und einer wie Sie hat sie sogar gelesen. Mein Testament ist geschrieben, die Familie versorgt. Die Nachrufe auf mich liegen in den Schubladen, ich kenn euch Schreiberlinge, ihr habt mit meinem Leben früher abgeschlossen als ich   … Was red ich, nein, ich kenn euch nicht, ich will euch auch gar nicht näher kennenlernen, euch Vögel unter dem Himmel, die nicht säen und nicht ernten   … Aber das weiß jeder, warum eure Nachrufe immer pünktlich zur Stelle sind. Ja, und irgendwann, wenn dies Haupt in der Erde liegt, kommt es auf Briefmarken. Der Nachruhm ist ziemlich gesichert, das läuft jetzt alles, pro Jahr oder Halbjahr ein Ehrendoktor. Sogar die Amis haben mein Erstgeburtsrecht inzwischen bescheinigt, jedenfalls für die A1 und die A3 und die A4   … Sie haben recht, das ist falsch, ich meine natürlich die Vaterschaft, die Vaterschaft haben sie mir bescheinigt. Das ist ihnen verdammt schwergefallen, als sie nach und nach mitbekommen haben, dass da einer, so ein hergelaufener

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