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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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und so weiter. Ich wusste, ich konnte das nicht am Feierabend erledigen, abends und sonntags. So nebenbei hatte ich schon einiges getüftelt oder entworfen, ein elliptisches Kino mit optimaler Sicht für alle, einen Warenautomaten mit Geldrückgabe, ein automatisches Fotolabor. Dazu einigermaßen kluge, das heißt praktikable Gedanken, wie ich nachträglich sagen darf, über die sogenannte Grüne Welle im Autoverkehr. In all diese Richtungen hätte ich mich bewegen können, sogar zur Raumfahrt, wenn Herr von Braun angeklopft hätte. Aber es wurde die Rechenmaschine   … Was ich nicht mochte, war das Rechnen, die endlosen stumpfsinnigen Rechnereien, mit denen man mich gequält hat und alle Ingenieure und Statiker, ganze Heerscharen von Rechenknechten. Den Stumpfsinn der Rechenschieberei abschaffen, das war’s. Wenn ich Leute zum Lachen bringen will,sag ich: Zum Rechnen war ich zu faul. Mein Geist, meine Lebenskraft waren mir dafür zu schade. Aber es stimmt: Der Mann, der nicht rechnen wollte, erfindet die universale Rechenmaschine   … Ich weiß, das hab ich schon sechshundertsechsundsechzigmal erzählt. Sie müssen mir erlauben, dass ich hin und wieder etwas aus meinen Memoiren aufgreife. Ich kann ja nicht wissen, was Sie noch im Kopf haben und was nicht, und ich kann auch nicht jedes Mal vorher fragen, ob es Ihnen genehm ist, wenn ich mich wiederhole   … So ist es, unser Gespräch führen wir nicht für Sie, sondern für ein breiteres Publikum als Sie und mich, das hoff ich doch   … Also, der Mann, der nicht rechnen wollte   … Ich bestehe darauf, es war ein Beschluss, ein einsamer Beschluss. Und ich wusste, wie schwer es sein würde, meine Freunde davon zu überzeugen, den Arbeitgeber und vor allem die Eltern   … Es war Herbst, September, und jetzt wollen Sie sicher wissen, ob ich da in meiner Stube war oder auf dem Kreuzberg oder beim Rasieren oder in einer Kneipe, nüchtern oder mit ein paar Bieren im Kopf, ob ich mit Freunden war oder allein, ob der Vollmond geschienen hat und ob ich vorher ein wenig Magie getrieben habe und ob Mephisto persönlich bei mir angeklopft hat oder als Katze in die Wohnung geschlichen ist und ob wir einen hübschen Teufelspakt geschlossen haben wie es sich gehört bei deutschen Erfindern   …

(Es war nicht der Teufel, es war Rilke)
     
     
     
    Sie werden lachen, es war nicht der Teufel, es war Rilke   … Rainer Maria, der Dichter. Kennen Sie das, sein kleines Buch
Briefe an einen jungen Dichter?
… Keine Ahnung. Vielleicht ein Freund, dem meine Späße gefallen haben und der aus mir einen ernsthaften Dichter machen wollte, der könnte mir das zugesteckt haben. Aber wir hatten eigentlich gar keine Kommilitonen mit tiefpoetischen Neigungen. Ist auch egal, der Rilke hat mir jedenfalls die richtige Grundeinstellung beigebracht, knallhart. Niemand kann einem raten und helfen, niemand, sagt er. Es gebe nur ein Mittel, man soll in sich gehen und sehr genau prüfen, weshalb man Dichter werden will. Und wer nicht sagen kann: Ich muss!, der soll es bleiben lassen. Und wer zum Entschluss kommt: Ich muss!, der soll, das ist ganz wichtig, sein Leben nach dieser Notwendigkeit ausrichten, bis in jede Einzelheit. So ungefähr sagt das Rilke, und selbst als junger Spund hab ich gewusst, dass das nicht nur für Dichter gilt, sondern für jeden schöpferisch tätigen Menschen, auch für mich, den Ingenieur mit seiner fixen Idee von einer Universal-Rechenmaschine   … Was heißt schon mutig? Nein, ich hatte keine Wahl. Ich hatte entschieden: Ich muss. Und da Rilke den guten Rat gab: dann bauen Sie Ihr Leben nach dieser Notwendigkeit, hab ich mein Leben nach dieser Notwendigkeit gebaut. Das Schwerste war der Familienrat. Daist der Filius endlich fertig mit dem Studium, hat eine Stelle mit besten Aussichten, bringt Geld nach Hause – und nun das! Mein Vater, Postbeamter in Pension, die Sorgenfalten können Sie sich vorstellen, der ist natürlich dagegen mit allen Argumenten seiner praktischen Vernunft, die Mutter seufzt. Und wie viel Vorwurf in Seufzern stecken kann, das hab ich damals gelernt, anno Fünfunddreißig. Meine Schwester, zwei Jahre älter als ich, sitzt dabei und schweigt. Ich rede vom Nutzen einer solchen Erfindung, die ich nur auf Papier vorzeigen kann, ich rede auf Samtpfoten, ich rede mit Engelszungen, da helfen auch meine Schauspielkünste nicht viel, das merke ich. Die zwei Wörter
Ich muss!,
die kann man auf dreißig verschiedene Arten sprechen, finden Sie mal

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