Die Frau, für die ich den Computer erfand
die richtige, wenn Sie kein Profi sind. Und ich durfte ja nicht verraten, dass ein Dichter mir diese Wörter souffliert hat. Plötzlich sagt meine Schwester: Aber du wirst unglücklich, wenn wir nein sagen! Du sollst nicht unglücklich werden! Und bietet ihre Ersparnisse an, vierhundert Mark, und jeden Monat will sie abzweigen, was sie kann, sie hat gearbeitet als Stenotypistin. Das ist der Durchbruch, die Eltern stimmen zu, geben ihr Sparbuch her, der Vater geht wieder arbeiten, das Wohnzimmer wird freigeräumt, nur der große Esstisch bleibt drin … Ohne meine Schwester hätte ich gar nicht anfangen können, ohne die Klugheit einer Stenotypistin hätte es den Durchbruch zum Universal-Rechner wahrscheinlich nichtgegeben, jedenfalls nicht in Berlin, so viel steht fest. Sehn Sie, all diese Heldengeschichten von den Computer-Bastlern in ihren Garagen in Kalifornien sind ja gut und schön, aber das ist doch alles nichts gegen das Sparschwein meiner Schwester und gegen das Wohnzimmer in Kreuzberg … Ja, und das in einer Zeit, als alle nur das Nötigste zum Leben hatten und niemand eine Garage, und als kein Mensch auf der Welt das Wort Computer kannte … Dagegen war es ein leichtes Spiel, und immer noch schwer genug, die Freunde zu überzeugen und anzupumpen und zu begeistern, dass sie mithelfen wollten. Und die Stelle kündigen, das hab ich in Kauf genommen, als Trottel aus der Tür des Personalchefs zu gehn. Das Ganze musste natürlich nach außen getarnt werden, wir wollten ja nicht als Verrückte behandelt werden. Also hab ich behauptet, wir konstruieren einen Tankmesser für Flugzeuge, da lief gerade ein Wettbewerb des Luftfahrtministeriums … Wenn ich das heute vor Studenten erzähle, vor ehrgeizigen, ausgefuchsten Informatikern, und sage: Rilke! Ohne Rilkes Regel hätte ich nicht durchgehalten, dann grinsen die Schnösel – falls sie von Rilke überhaupt was gehört haben in der Schule. Und die höheren Leute, Professoren und Manager, die mein Erfolgsrezept wissen wollen, die bring ich gern ein bisschen ins Schleudern und sage: Management-by-Rainer-Maria … Und neben Rilke stand Spengler, Oswald Spengler.
Vor den Augen des faustischen Menschen ist alles Bewegtheit einem
Ziele zu.
Solche Sätze hab ich mit mir spazieren getragen. Ich hatte ein Ziel, ohne mich gleich als Faust zu fühlen … Ja, völlig aus der Mode, obwohl er einen Weitblick auf unser Jahrhundert hatte wie kaum einer. Der hat uns Deutschen den faustischen Geist gepredigt, den faustischen Willen zur Macht … Da bin ich ganz anderer Meinung. Selbstverantwortung, Selbstbestimmung, Entschlossenheit, solche Tugenden hat er gepredigt, und die passen bekanntlich gar nicht zu den Nazis. Der einzige große Denker, der über die Rolle der Erfinder und Techniker nachgedacht hat. Er hat mir geholfen, Abstand zu halten zu den Armleuchtern, aber das ist ein anderes Thema … Na, weil sie bei jeder Gelegenheit den Arm nach oben gerissen haben, zum deutschen Gruß …
(Der total unfähige Faust)
Nein, damals hab ich noch nicht ernsthaft an Faust gedacht.
Im Anfang war die Tat, wer immer strebend sich bemüht,
und so weiter, das klingt ziemlich banal, wenn Sie an der Skizze eines Speicherwerks herumdenken mit dem Bleistift zwischen den Fingern. Nein, so größenwahnsinnig, mich irgendwie mit dem zu vergleichen, bin ich nie gewesen, das hoff ich doch. Das
Ich muss!
war ein Befehl, nüchtern, knallhart. Der Rilke hat sehr praktisch gedacht: Baue dein Leben um! Beim Goethe ist es ja nur dieser diffuse Drang zumNeuen. Der Faust ist eigentlich, wenn Sie mal genauer hinschauen, keine vorbildliche Figur. Viel Pathos, aber total unfähig bei allem, was er anpackt, alles geht schief bei ihm … Der sitzt da nachts rum, weiß nicht weiter mit seinem vielen Wissen, Burn-out würde man heute sagen, eine ziemlich depressive Gestalt, die sich zur Unterhaltung ein paar Geister herbeizaubert. Dann fällt ihm nichts Besseres ein als der Selbstmord, er nippt schon fast am Gift und wird gerettet in der letzten Sekunde von Ostergesängen und Osterglocken. Das ist Kitsch hoch drei, wenn wir ehrlich sind, oder? … Sie lachen, aber so ist es doch. Ich hab ja gesagt, ich hab mich mal wieder vertieft in das Stück, weil wir über die faustische Leidenschaft sprechen wollten. Die von Herrn Dr. Faust ist ziemlich konfus und nicht gerade zielbewusst, muss ich sagen. Nach seinem berühmten Osterspaziergang fängt er wieder was Neues an,
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