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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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wären, ein wenig fortschrittlicher, oder sagen wir’s offen: mathematischer. Ausgerechnet die Flugmenschen,die immer so modern tun und einen Tick hochnäsiger sind als andere. Das ist das Einzige, was mich noch juckt: Wie wir gescheitert sind, denen ein Gerät und ein Programm zur Sitzplatzreservierung zu verkaufen   … Wir waren die Ersten, die vorgeschlagen haben, die Buchungen per Computer zu erledigen, über einen Zentralrechner und beliebig viele Zugangsterminals. Wie das heute gang und gäbe ist, wie das heute gar nicht mehr anders zu denken ist. Das haben wir den Fluggesellschaften angeboten, Siebenundfünfzig, Achtundfünfzig. Nur mit einer gab es ernsthafte Gespräche und fast einen Abschluss, mit der KLM, aber dann haben sie entschieden: Das schafft der Rechner nie, den Platzreservierer zu ersetzen! Punkt. Keine fünf Jahre später hatten sie alle ihre Computer für die Platzreservierung. Heute geht es gar nicht mehr ohne, auch bei der Bahn! In Hotels, im Krankenhaus, beim Arzt, überall!   …

(Das Image eines Spinners)
     
     
     
    Diese Enttäuschung, die hab ich noch viel zu harmlos beschrieben in meinen Erinnerungen. Was sag ich, Enttäuschung, es war eine Erschütterung. Dabei war es mir ziemlich egal und es ist mir heute erst recht egal, dass ich hätte Multimillionär werden können, wenn die Leute um ein Gramm Hirn verständiger gewesen wären. Was mich getroffen hat, war derSpruch des Schicksals: Du bist und bleibst der Zufrühgekommene   … Das hat mich getroffen, und jahrzehntelang mochte ich kein Flugzeug sehen und konnte in kein Flugzeug steigen, ohne mich verhöhnt zu fühlen: Der Mann, der pleite gemacht hat, weil er zu früh die richtige Idee hatte   … Heute bin ich dem Schicksal dankbar, dass es mir das Los erspart hat, Millionär zu werden. Da wär ich nicht ohne Herzinfarkt davongekommen und vielleicht niemals zum Malen. Nein, ich klage nicht, ich packe nur mal meine Gefühle aus wie versprochen, so ausführlich, wie Sie wollen, und so ausführlich, wie ich kann. Wir hatten damals keine richtige Werbeabteilung, wir haben nichts für die PR getan, wir haben die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit völlig vernachlässigt. Wenn wir das Mitte der fünfziger Jahre kapiert hätten   … Wenn, wenn, wenn. Was sollen wir spekulieren, es war mein Fehler, eindeutig mein Fehler. Ich dachte immer, die Leute können meinem sachlichen und lockeren Erfindergeist nicht widerstehen. So ein kreuzbraver Trottel war ich, der noch geglaubt hat, dass Argumente und Leistungen zählen – und nicht das Image   … Als Erfinder haben Sie ja immer auch das Image eines Spinners, und bei mir war es noch schlimmer, ich hatte das Image eines Spinners aus der hessischen Provinz. Ich verhandelte mit Leuten, die auf allen Kontinenten herumflogen, und auf meiner Visitenkarte stand Bad Hersfeld. Wenn ich wenigstens eine Visitenkarte aus New York oder Stuttgartgehabt hätte   … Werbung war sowieso nicht meine Stärke, da muss man ständig angeben, übertreiben, überrumpeln, überzeugen. Vielleicht wäre ich mit unserm Buchungssystem ja durchgekommen, wenn ich vorher einen Wochenendkurs belegt hätte:
Verkaufen, aber wie?
Solche Kurse, wie sie heute jeder Verkäufer von Elektroartikeln absolviert mindestens einmal im Jahr   … Egal, ich mochte das flotte Gerede und Getrumpfe nicht. Das hat sich inzwischen geändert, wie Sie merken   … Die Antwort jedenfalls, die steckt mir seitdem im Kopf wie ein Messer: Das schafft der Rechner nie, den Platzreservierer zu ersetzen!   … Die zu früh Gekommenen, hab ich mal irgendwo gelesen, sind nicht gern gesehen, aber ihre Milch trinkt man dann   … Und bei der Computergrafik, heute unverzichtbar, Computerdesign, riesige Anwendungsfelder: Nein, kommen Sie uns doch bitte nicht mit so was! Nicht mit Rechenmaschinen! Da haben wir uns am Ende durchgesetzt – aber erst als die Kunden mit eigenen Augen gesehen haben, wie das Gerät, mit Zahlen gefüttert, perfekte Zeichnungen ausspuckt. Die Automatisierungen in der Industrie, Netzplanung, computergestützte Buchhaltung, alle Lösungen, die wir angeboten haben, sind erst mal auf Ablehnung gestoßen, spätestens in den Finanzabteilungen   … Vielleicht haben wir den Fehler gemacht, dass wir zu lange Rechner gesagt haben, und das klingt für den Laien nach einem kleinen Multiplizier-Maschinchen. Computer,da wird gleich irgendein Zauber versprochen, das klingt fast schon warm und menschlich, oder?   … Egal, tempi

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