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Die Frau im Fahrstuhl

Die Frau im Fahrstuhl

Titel: Die Frau im Fahrstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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geschliffenes Glas. Er trank einen ordentlichen Schluck und verzog das Gesicht. Er sah auf einmal höchst zufrieden aus. Dann schien ihm wieder aufzugehen, dass die Polizisten noch anwesend waren.
    »Das habe ich jetzt gebraucht«, sagte er nur.
    Er deutete auf den Küchentisch und setzte sich auf einen der Küchenstühle aus Kiefernholz. Dank der rotweiß karierten Kissen waren die Stühle recht bequem. Derselbe Stoff wie der, aus dem die Gardinen gemacht waren, fiel Irene auf.
    Tommy hängte seine Jacke über die Stuhllehne, ehe er sich setzte. Damit signalisierte er, dass er sich nicht allzu schnell vertreiben lassen würde. Nachdem er sich gesetzt hatte, beugte er sich über die Tischplatte und versuchte, den Blick des anderen einzufangen.
    »Was ist passiert?«, fragte Tommy knapp.
    Der Mann nahm noch einen tüchtigen Schluck.
    »Ich bin wie immer von der Arbeit nach Hause gekommen. Genauer gesagt etwas früher als sonst. Evalis war im Obergeschoss. Ich ging hoch zu ihr. Sie sagte, sie würde nach unten gehen, um zu kochen. Als ich aus dem Schlafzimmer kam, sah ich sie auf der Treppe stolpern. Ich konnte nichts machen. Ich war zu weit weg. Sie stürzte.«
    »Sahen Sie sie fallen?«, fragte Tommy.
    »Ja. Das habe ich doch gesagt!«
    Wieso war er so aggressiv? Und wieso trank er während der Vernehmung? Irene beobachtete ihn, ohne sich einen Reim auf sein Benehmen machen zu können. Er sollte besser während des Gesprächs keinen Alkohol trinken. Als hätte er ihre Gedanken erraten, sagte Tommy: »Es wäre gut, wenn Sie nichts trinken würden, während wir mit Ihnen sprechen.«
    »In meinen eigenen vier Wänden trinke ich, verdammt noch mal, wann immer ich will!«
    Er wurde hochrot, und Irene bemerkte, dass er unter dem Tisch immer wieder die Hände zu Fäusten ballte. Tommy und Irene betrachteten ihn, ohne ein Wort zu sagen. Es kostete ihn Überwindung, das Glas beiseite zu schieben und die Fäuste auf den Tisch zu legen. Ein paar Mal atmete er tief durch. Dann öffnete er die Hände und legte sie auf die Tischplatte. Zum ersten Mal schien er einzusehen, dass er sich beherrschen musste. Ohne sie anzusehen, sagte er mit tonloser Stimme: »Entschuldigen Sie. Meine Frau ist gerade… gestorben. Ich bin nicht ganz bei mir.«
    Oder genau das? Bei sich?
    Irene kam die Sache nicht geheuer vor. Seit sie das Haus betreten hatten, hatte sie nichts gesagt. Sie gelangte zu dem Schluss, es sei das Beste, wenn Tommy diese sonderbare Vernehmung durchführte. Sie registrierte, dass die Küche peinlich sauber war, keine Bilder oder anderes an den Wänden hingen und die halb verwelkte Geranie im Fenster verloren wirkte. Der Eindruck war unpersönlich und steril. Die Küche ist das Herz eines Hauses, dachte Irene. Hier schlägt dieses Herz nicht.
    »Vielleicht sollten wir mit Ihrem vollständigen Namen beginnen«, sagte Tommy.
    »Lars Ove Svensson.«
    Irene schrieb den Namen auf ihren Block, während Tommy weiterfragte: »Der Name Ihrer Frau?«
    »Evalis Svensson.«
    »Wie lange waren Sie verheiratet?«
    »Was zum Teufel geht Sie…«
    Lars Svensson holte tief Luft und versuchte, sich wieder in die Gewalt zu bekommen.
    »Ein halbes Jahr. Wir haben uns letztes Jahr im September kennen gelernt. Wir waren frisch verheiratet und… glücklich.«
    Tommy nickte und hielt einen Augenblick inne, ehe er fortfuhr: »Ihre Frau hatte ihren Arm in Gips. Was war passiert?«
    »Was hat das… Sie war in der Badewanne ausgerutscht. Vorige Woche. Sie hatte sich den Arm gebrochen. Sie mussten sie operieren.«
    Er verstummte und warf einen raschen Blick auf das Glas, das ein Stück entfernt stand. Langsam faltete er die Hände vor sich auf dem Tisch. Zum ersten Mal sah er Tommy in die Augen.
    »Der Arm tat ihr weh, und sie schluckte wahnsinnig viele Tabletten. Ich hatte sie gewarnt… Sie machten sie schwindlig. Deswegen ist sie auf der Treppe gestürzt. Sie hatte einen Schwindelanfall. Sie versuchte, sich am Treppengeländer festzuhalten, aber das funktionierte nicht wegen diesem verdammten Gips.«
    Tommy nickte. Das klang in der Tat wahrscheinlich.
    »Hatte Ihre Frau Kinder aus einer früheren Beziehung?«
    »Nein. Wir hatten beide keine Kinder. Es war für uns beide die zweite Ehe.«
    »Hat sie irgendwelche anderen nahen Verwandten?«
    »Nein. Unsere Eltern sind verstorben. Aber…«
    Er dachte einen Augenblick nach.
    »Evalis hat eine Schwester. Sie ist Kinderärztin und arbeitet in Südamerika. Sie haben keine anderen Verwandten. Ich bin dieser

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