Die Frau im Fahrstuhl
spürte sie, wie sie ins Nichts geschleudert wurde. Alles war ein einziges wirbelndes Chaos. Sie überschlug sich in der Luft, dann wurde alles schwarz.
Irene Huss und Tommy Persson von der Kriminalpolizei wurden zur Unglücksstelle gerufen. Da die Frau beim Eintreffen des Rettungswagens tot gewesen war, hatten die Sanitäter die Polizei verständigt. Die Streife hatte dann das Dezernat für Gewaltverbrechen im Präsidium von Göteborg alarmiert.
»Wieso haben die uns aufgescheucht?«, fragte Irene und gähnte hinter vorgehaltener Hand.
Ihre Hoffnung, ausnahmsweise einmal früher nach Hause zu kommen, war zunichte geworden, als der Anruf eingegangen war, jemand sei zu Tode gestürzt.
»Magnus findet, wir sollen uns mit einem Mann unterhalten. Näheres wollte er uns gleich noch erzählen. Wahrscheinlich befand sich der Typ in der Nähe.«
Irene nickte und bog von der Hauptverkehrsstraße ab. Laut Wegbeschreibung brauchten sie nur den Schildern zum Golfplatz zu folgen.
In diese Viertel verirrt man sich als Polizistin nicht so oft, dachte sie. Und sonst auch nicht.
Inspektor Magnus Gustafsson trat gerade durch die breite Haustür, als sie in die Auffahrt zur Garage einbogen. Vermutlich hatte er auf ihr Eintreffen gewartet. Sie stiegen aus ihrem Wagen und gingen auf ihn zu.
Nachdem sie sich begrüßt hatten, erklärte Magnus Gustafsson kurz, warum er das Dezernat für Gewaltverbrechen verständigt hatte.
»Nicht das erste Mal, dass ich hergerufen werde. Zweimal waren wir schon hier. Beide Male hatte er seine Ehefrau misshandelt.«
»Das ist die Verstorbene?«, fragte Tommy Persson.
»Ja und nein. Er sagt, seine Frau sei die Treppe runtergefallen. Aber das hier ist nicht dieselbe Schöne wie damals.«
»Hat ihn die andere damals angezeigt?«, wollte Irene wissen.
»Beide Male. Beim zweiten Mal mussten wir sie in die Notaufnahme fahren. Ich meine mich zu erinnern, dass sie das Nasenbein gebrochen hatte.«
»Weißt du, ob sie die Anzeige später zurückgezogen hat?«
Magnus zuckte mit den Achseln. Sie wussten alle drei, dass das statistisch das Wahrscheinlichste war.
»Als wir heute Abend hergerufen wurden, erinnerte ich mich an die beiden letzten Male. Er war immer so eiskalt. Sagte, sie lüge und sei hysterisch. Hätte sich den Zinken am Waschbecken angehauen, behauptete er beim Nasenbeinbruch. Dieses Mal benahm er sich meiner Meinung nach auch wieder sehr seltsam.«
»Inwiefern?«, fragte Tommy.
»Gefühlskalt. Schließlich ist sie tot.«
»Schock?«, schlug Irene vor.
»Vielleicht«, antwortete Magnus.
Seine Zweifel waren deutlich zu hören. Er blieb stehen und sagte leise: »Noch was. Das Opfer hatte den ganzen rechten Arm in Gips.«
In der geräumigen Diele begegneten ihnen die Männer, die auf einer Trage den grauen Bodybag nach draußen trugen. Am Fußende der Treppe entdeckte Irene eine winzige Blutlache. Sie hielt Magnus am Ärmel seiner Uniformjacke zurück und fragte: »Was, glaubst du, war die Todesursache?«
»Wahrscheinlich Genickbruch.«
Das erklärte, warum nicht mehr Blut vorhanden war.
Der Beamte von der Spurensicherung packte seinen Fotoapparat weg. Der Mann, der gerade Witwer geworden war, stand ein paar Schritte von ihm entfernt und betrachtete ihn durchdringend. Plötzlich entdeckte er die beiden Polizisten in Zivil. Er runzelte die Stirn, und ohne den Versuch zu machen, seinen Ärger zu verbergen, fauchte er: »Verdammtes Pressepack! Raus hier!«
Tommy hielt ihm seinen Dienstausweis hin.
»Polizei. Inspektorin Irene Huss und Inspektor Tommy Persson.«
Auch Irene hatte ihren Ausweis aus der Tasche gezogen und wedelte damit. Beide traten sie auf den Mann zu. Wortlos sah er sie an.
»Dürfen wir Ihnen ein paar Fragen stellen?«, fragte Tommy höflich.
»Wieso das?«
»Reine Routine. Bei Todesfällen zu Hause wird das immer gemacht.«
Einen Augenblick lang wirkte der feindselige Mann unsicher. Er schien einzusehen, dass er die beiden Beamten nicht so leicht loswerden würde. Hastig drehte er sich um und sagte über die Schulter: »Wir können in die Küche gehen.«
Auf der Schwelle blieb er stehen. Bauernküche in Kiefer, frühe Achtziger. Auch Herd und Kühlschrank schienen älteren Datums zu sein. Alles blitzblank. Der schwache Duft von Putzmitteln lag in der Luft. Zielbewusst ging der Mann auf einen der Küchenschränke zu und nahm eine Whiskyflasche heraus. Ohne die Polizisten eines Blickes zu würdigen, goss er sich eine beachtliche Menge in ein hübsches,
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