Die Frau im Fahrstuhl
her und sagte dann: »Als wir uns am ersten Abend hinlegen wollten, geschah etwas wahnsinnig Merkwürdiges. Ich war todmüde und ließ mich aufs Bett fallen. Aber nach ein paar Minuten wurde ich unruhig und bekam auf einmal keine Luft mehr. Es wurde immer schlimmer, und nach einer Weile musste ich aufstehen. Das Unwohlsein verging sofort. Schließlich wünschte ich mir nichts sehnlicher, als zu schlafen, deshalb legte ich mich wieder hin. Fast sofort stellte sich wieder das Gefühl ein zu ersticken. Ich musste wieder aufstehen.«
»Seltsam! Was hast du dann gemacht?«
»Ich weckte Lasse, und es gelang mir, ihn zu überreden, mit mir das Bett zu tauschen. Er hielt mich vermutlich für nicht ganz bei Trost, aber er war zu müde, um zu widersprechen.«
»Merkte er was?«
»Nein. Ich habe ihn am nächsten Morgen danach gefragt. Er hatte überhaupt nichts gemerkt.«
Eine Weile gingen wir schweigend weiter. Dann erzählte ich Marie, was ich beim Spülen erlebt hatte. Sie schauderte.
»Gruselig! Und dann diese Schritte, die wir beide gehört haben… Glaubst du, dass es unser Vermieter war? Ich finde den Alten ziemlich unheimlich«, sagte sie.
»Warum sollte er versuchen, uns zu erschrecken? Als Vermieter will er doch, dass wir wiederkommen!«
»Klar. Aber vielleicht ist er ja verrückt?«
Marie hatte vermutlich Recht. Ich war mir aber ganz sicher, dass mir der Alte nicht hinterhergeschlichen sein konnte, als ich abgespült hatte. Blitzschnell hatte ich mich umgedreht. Hinter mir war es erschreckend leer gewesen.
An diesem Abend schleppten Marie und ich einen schweren Sessel in die Diele. Mit der Lehne schoben wir ihn gegen die verschlossene Tür. Da sich die Tür nach außen öffnete, würden wir hören, wenn der Sessel verschoben würde. Marie riss sich ein Haar aus. Mit Hilfe von Kaugummi befestigte sie es dann an Tür und Türrahmen.
»Daran sehen wir, ob jemand die Tür geöffnet hat«, sagte sie zufrieden.
In der Nacht erwachten wir beide von Schritten, hörten jedoch nicht, dass jemand den Sessel verrückte. Wie in der Nacht zuvor bewegten sich die Schritte auf und ab, auf und ab, auf und ab…
Am Morgen war der Himmel strahlend blau, und die Sonne schien. Ich kontrollierte den Sessel und das festgeklebte Haar. Beides war unberührt.
»Er muss über die Treppe gekommen sein«, hörte ich Maries Stimme hinter mir.
Ich drehte mich zu ihr um und schüttelte den Kopf.
»Nein. Diese alte Treppe knarrt dermaßen, dass Tote davon erwachen.«
Marie erblasste, und ich bereute meine Worte sofort. Um sie auf andere Gedanken zu bringen, fuhr ich rasch fort: »Vielleicht sollten wir auf der Treppe ebenfalls eine Falle aufstellen? Nur für den Fall der Fälle.«
Wir kauften Nähfaden und eine Schachtel Reißzwecken. Am Abend, als unsere Kinder und Ehemänner zu Bett gegangen waren, spannten Marie und ich über die Treppenstufen Fäden in einigen Zentimetern Abstand. Wir befestigten sie lose mit Reißnägeln.
»Wer jetzt die Treppe raufgeht, reißt die Fäden ab«, sagte ich.
Zufrieden mit unserem Werk gingen wir zu Bett.
Mitten in der Nacht wurden wir wieder von Schritten auf der Diele geweckt. Die Fäden befanden sich am anderen Tag natürlich noch in demselben Zustand wie am Abend zuvor. Rasch räumten wir sie beiseite, ehe eifrige Kinder und unausgeschlafene Fünfundvierzigjährige die Treppe hinunterpolterten. Der Morgen war genau so, wie es der Wetterbericht am Vortag in Aussicht gestellt hatte: grau und regnerisch. Klar ist es prima, wenn die Prognosen ausnahmsweise zutreffen, aber gerade an diesem Morgen hätten sie gerne danebenliegen dürfen, denn wir hatten einen Tagesausflug nach Visby geplant.
Während wir quer über die Insel fuhren, klarte es von Westen her auf. Kurz vor Roma hörte auch der Nieselregen auf. Als wir Visby erreichten, schaute ab und zu die Sonne zwischen den Wolken hervor. Der Ausflug war ein voller Erfolg, wir kauften ein, aßen zu Mittag und besuchten das große Museum in Visby, Gotlands Fornsalar. Cecilia und Karin fanden Letzteres allerdings langweilig. Eindruck machte auf sie nur ein Halsring aus massivem Gold.
»Haben!«, kreischte Karin, dass es in allen Sälen widerhallte.
Als Ersatz stellten wir ihr den größten Bananensplit in Aussicht, der sich in Visby auftreiben ließ. Nach reiflicher Überlegung nahm meine Nichte das Angebot an. Wir aßen das Eis in einer Kirchenruine, in der ein Gartencafe lag.
Auf dem Heimweg machten wir einen Abstecher zur Villa
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