Die Frau im gepunkteten Kleid
Tür. Der Gelbe Pullover stand mit ausgebreiteten Armen im Freien und blickte in den Himmel.
Es war nicht leicht, mit ihm zu reden, er zeigte sich auch nicht übermäßig dankbar, als sie ihm den Glimmstängel gab. Vermutlich rührte sein Unbehagen daher, dass er Ausländer war, und sie fragte ihn, ob er gern Pferde versorge, so weit weg von zu Hause.
»Das ist mein Zuhause«, erwiderte er. »Ich bin vor zwölf Jahren hierhergekommen, und ich versorge die Pferde nicht nur, ich bin Jockey.«
»Natürlich«, bestätigte sie. Sie hätte noch mehr gesagt, aber er starrte sie so seltsam an, dass ihre Worte erstarben.
»Ich verlasse mich auf die himmlische Hilfe von al-Hilal«, sagte er und ging weg; offenbar war er ein bisschen verrückt.
Harold kam erst nach zwei Stunden wieder auf die Beine, und da waren Silver und Fury schon in einen beschwipsten Schlaf gefallen. Er kritzelte ihnen eine kurze Nachricht und bedankte sich für die Gastfreundschaft. Rose setzte ihren Namen darunter und eine Reihe von Küssen.
15
Sie verließen Santa Ana, und Harold ärgerte sich über seine Unfähigkeit, sich auszudrücken. Er hatte in der Gesellschaft von Fury und Silver nicht gerade geglänzt. Bei der Diskussion über den Mord an Dr. King hatten sie seine Meinung ignoriert und über ihn hinweggesprochen – eigentlich seltsam, wo er doch im Geiste miterlebt hatte, wie sich das Blut über den Boden ergoss. Aber schließlich wurde er meistens beiseitegeschoben – nur von Shaefer nicht. Als er sich einst, vor all diesen vergeudeten Jahren, bei seiner makellos dauergewellten Mutter darüber beklagt hatte, erwiderte sie mit verächtlichem Blick, das komme daher, dass er seinen Wortschatz nicht beherrsche. Da irrte sie sich; im College hatte er, unterstützt von Shaefer, einmal für den Vorsitz des Debattierclubs kandidiert.
Da er wusste, dass Wheeler nicht mehr in Malibu war, verließ Harold den Freeway und nahm den Pacific Coast Highway nach Santa Monica. Er ließ das Radio angeschaltet, um Rose am Plaudern zu hindern, aber ohne Erfolg. Noch nie war ihm jemand begegnet, der der Natur so gleichgültig gegenüberstand. Sie
war blind für die blassen Blüten der Bitterholzbäume und den zuckerweißen Sand am Saum des glitzernden Ozeans, fummelte an ihrer Oberlippe, an ihrem Haar und in ihren Taschen herum und schnatterte hirnloses Zeug von einem Medikament, mit dem man in Vietnam unflätige Ausdrücke bekämpft habe. Natürlich meinte sie Drogen, vor allem das LSD, das dieser Philopsona so zugesetzt hatte.
Er war wütend auf sich, weil er mit Fury so offenherzig gesprochen hatte. Weiß Gott, warum er ausgeplaudert hatte, was er für seine Mutter empfand, wahrscheinlich hatte der Strickhase auf dem Stuhl damit zu tun. Und der Drink. Er hatte etwas von seinem Leben vor den diversen Stiefvätern gelabert, von der Zeit, als sie zu zweit in einer verwahrlosten Wohnung in Detroit gelebt hatten, von dem Tag, als sie ihn – er war sieben Jahre alt – geohrfeigt hatte, weil er die Seife im Waschraum hatte liegen lassen. Es war ein Gemeinschaftswaschraum – daher seine heutige Empfindlichkeit gegen Gerüche –, und sie befürchtete, die Seife würde gestohlen. Als er zu greinen anfing, kam sie zurück und nahm ihn in die Arme. Er erinnerte sich an diese Umarmung, weil es ihre letzte Liebesbezeugung gewesen war; danach hatte sie immer irgendwelche Männergeschichten gehabt. Dass er solche Kindheitserinnerungen erzählt hatte, war peinlich genug, aber womöglich hatte er auch über Wheeler geredet, vielleicht sogar angedeutet, was er zu tun gedachte, wenn sie sich begegneten.
Es war so in Gedanken, dass er beinahe die offene Tür eines weißen Chevrolet gerammt hätte, der herrenlos am Straßenrand stand. Augenblicke später bremste er, stieg aus und murmelte, er müsse sich die Beine vertreten. Rose war vom Inhalt ihrer Taschen in Anspruch genommen und nickte nur. Dummerweise ließ er seinen Hut im Auto liegen, und die Sonne brannte ihm grausam auf den Kopf.
Zur Linken führte ein Hang hinunter zu einem Wäldchen, und während er auf den blauen Schatten zuging, hörte er sich selbst laut stöhnen. Falls er sich im betrunkenen Zustand Fury und Silver anvertraut und sein Vorhaben ausgeplaudert hatte, würden sie es sicherlich weitersagen. Er hatte keine Angst davor, entlarvt zu werden, solange er nur erfolgreich war. Hatten sie vielleicht Rose davon erzählt? Beim Aufwachen hatte er gehört, wie Silver von Gewalt und Leid sprach,
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