Die Frau im Rueckspiegel
Blick in den Rückspiegel zeigte ihr, daß Rebecca auf Antwort wartete. Um ihren Mund spielte ein feines Lächeln. »Also bitte, wenn Sie es unbedingt wissen wollen. Ich dachte, daß Sie daran sicher nicht ganz unschuldig sind. Nach dem, was ich gehört und in Ansätzen bereits erlebt habe, sind Sie nicht unbedingt Miss Charming. Da gehen die Leute eben lieber auf Abstand.«
Rebecca hob an zu widersprechen, hielt dann aber inne. Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Ja, das stimmt.« Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt nicht viele, die sich trauen, mir so etwas zu sagen.«
»Sie haben es ja herausgefordert.«
»Ja, aber die meisten an Ihrer Stelle hätten mir irgend etwas erzählt, nur nicht das, was sie wirklich denken.«
Christiane zuckte mit den Schultern. »Tja, ich bin erst eine Woche bei Ihnen. Ich lerne es sicher noch, mich zu verstellen.«
»Nein, bitte nicht!« bat Rebecca eindringlich. »Christiane! Versprechen Sie mir das. Verstellen Sie sich nicht. Bleiben Sie so, wie Sie sind.«
Christiane, überrascht von der Nachdrücklichkeit in Rebeccas Stimme, war verdattert. »Ja. Ja, natürlich. Ich hatte nichts anderes vor.«
Rebecca rückte zurück auf ihren eigentlichen Platz, schaute schweigend aus dem Fenster. Sie bereute ihren unbedachten Ausbruch bereits. Er mußte Christiane rätselhaft vorkommen. Und er war ja auch kindisch.
Rebecca schloß einen kurzen Moment die Augen, öffnete sie wieder.
Seit der Sache mit Liane reagierte sie einfach überempfindlich. Sie ertappte sich immer wieder dabei, wie sie sich über Kleinigkeiten aufregte. Und jetzt diese emotionale Überreaktion auf eine harmlose Bemerkung Christianes.
Die Sache mit Liane ist jetzt bald ein Jahr her. Du mußt das endlich hinter dir lassen. Es war eine unschöne Erfahrung, du hast daraus gelernt, und so etwas wird dir nicht noch mal passieren.
Rebecca atmete tief durch und versuchte die unangenehmen Gedanken zu verdrängen. Was brachte es schon, sich von Erinnerungen zerfleischen zu lassen? Dennoch konnte sie nicht verhindern, daß sich Bilder vor ihre Augen schoben, die sie bereits vergessen glaubte.
»Da steht schon das Taxi, glaube ich«, riß Christiane Rebecca aus ihren Gedanken.
Rebecca schaute nach vorn. »Lassen wir es nicht unnötig warten. Ich fahre selbst rein, Sie können gleich umsteigen.«
Also zog Christiane vor dem Tor des Grundstücks die Handbremse und stieg aus. Rebecca kam um den Wagen herum. »Ein erholsames Wochenende«, wünschte sie ihrer Fahrerin.
Christiane seufzte. »Damit wird es wohl nichts. Extratraining zur Turniervorbereitung. Wir brauchen Bestform.«
»Tja dann – viel Glück.«
»Danke. Das brauchen wir auch. Sonst ist das Turnier das letzte, an dem wir teilnehmen.« Christiane seufzte. »Dabei spielen wir wirklich ganz gut.«
Eigentlich wollte Rebecca nicht nachfragen. Christianes Sorgen gingen sie nichts an. Es passierte ganz automatisch. »Wo ist das Problem?«
Christiane verzog den Mund. »Letztes Wochenende machte sich unser Kassenwart mit dem Vereinsvermögen aus dem Staub. Woraufhin unser Sponsor absprang. Vertrauensbruch. Kann man ja verstehen. Aber nun sind wir finanziell arg in der Bredouille. Wir setzen all unsere Hoffnung darauf, mit einem Turniersieg einen neuen Sponsor anzulocken. Aber . . .« Christiane brach ab.
Rebecca wußte auch so, was los war. ». . . die Unterschlagungsgeschichte wird andere Gönner abschrecken«, beendete sie.
»Ist zu befürchten.«
Rebecca legte ihre Hand auf Christianes Schulter. »Wird schon klappen«, versuchte sie, sie aufzumuntern.
»Na klar«, nickte Christiane gebremst optimistisch.
Rebecca stieg in den Wagen. »Also dann«, verabschiedete sie sich. »Trotzdem ein schönes Wochenende.«
5
C hristiane seufzte innerlich.
»Wie lief das Training?« oder wenigstens »Na? Muskelkater?« könnte sie doch fragen. Aber weder das noch irgend etwas in dieser Richtung kam über Rebeccas Lippen. Sie saß schweigend auf dem Rücksitz, blätterte in irgendwelchen Unterlagen. Völlig abwesend.
Was denn, Chris? Hast du gedacht, ihr würdet heute da weitermachen, wo ihr Freitagabend aufgehört habt? Mit einem netten, vertrauten Gespräch?
Rebecca hatte das längst vergessen. Und falls nicht, war es ihr unangenehm. Es lief auf dasselbe hinaus. Sie wollte nicht daran anknüpfen.
Na warte!
»Wie geht es denn Hanna?« fragte Christiane. Darauf mußte Rebecca ja was sagen!
Rebecca sah von ihren Unterlagen auf. »Besser«,
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