Die Frau im Rueckspiegel
noch nicht da. Hatte sie verschlafen?
»Na, Gott sei Dank«, hörte Christiane Rebecca durch die angelehnte Tür sagen. »Eine Woche Streik ist auch mehr als genug. Erstellen Sie mir sofort eine Übersicht über die zu erwartenden Verzögerungen und die daraus entstehenden Mehrkosten . . . ja, ich weiß . . . nein, da haben wir nicht viele Möglichkeiten . . . ja . . . und eine Kopie des Berichts geht an die Rechtsabteilung. Die soll prüfen, was wir bei der Versicherung geltend machen können, und den Rest bei der spanischen Logistikfirma einklagen. Mal sehen, ob was bei rauskommt.«
Es folgte Stille. Offenbar hatte Rebecca aufgelegt.
Das Telefon auf Anitas Schreibtisch klingelte. Christiane zuckte leicht zusammen.
»So schreckhaft?« fragte Rebecca von der Tür her. Sie kam zum Schreibtisch, langte an Christiane vorbei zum Telefon. »Reklin«, meldete sie sich. »Ja, ich selbst. Was gibt es denn Marius? . . . Ja, mach das. Dann verschieben wir unseren Termin um eine Stunde.« Sie legte wieder auf. »Tja, Anita ist krank. Ich hatte noch keine Zeit, ihren Apparat auf meinen umzulegen.« Jetzt klingelte es in Rebeccas Büro. »Sie hören ja, was los ist.« Rebecca lief zurück.
»Soll ich den Telefondienst für Sie machen?« fragte Christiane hinter ihr her. Doch es kam keine Antwort. Rebecca sprach bereits auf ihrem Apparat.
Anitas Apparat klingelte erneut. Kurzentschlossen griff Christiane nach dem Hörer. »Büro Reklin, Seidel«, meldete sie sich.
»Druckerei Hartmann. Es geht um die Visitenkarten.«
»Ja?«
»Wir können nicht pünktlich liefern, wenn wir nicht bis heute mittag das Okay für eines der vorgeschlagenen Layouts bekommen.«
Christiane ging um den Schreibtisch herum, griff sich Zettel und Stift und schrieb mit. »Sagen Sie mir noch Ihren Namen und Ihre Telefonnummer. Ich helfe nur aus. Es geht schneller mit dem Rückruf, wenn ich nicht erst im System nach dem Auftrag suchen muß. . . . Ja, natürlich. . . . Frau Reklin meldet sich bei Ihnen.« Christiane legte auf.
Rebecca kam wieder. »Was war?«
Christiane reichte ihr den Zettel. »Druckerei Hartmann«, antwortete sie. »Wegen der Visitenkarten.«
»Ach ja.« Rebecca griff sich an den Kopf. »Verdammt. Die Entwürfe liegen zu Hause. Aber ich nehme die aufklappbare Variante.« Sie reichte Christiane den Zettel zurück.
»Soll ich dort anrufen?« fragte sie.
»Bitte.« Rebecca musterte Christiane kritisch. »Trauen Sie sich das zu?«
»Einen Anruf?« Christiane lachte. »Aber sicher.«
»Nein. Ich meine das hier.« Rebecca machte eine Bewegung, die den Raum umfaßte. »Für heute?«
Christiane zuckte mit den Schultern. »Ich schreibe einfach alles auf. Oder?«
»Genau. Sie stellen keine Gespräche durch, auf die ich nicht warte. Die Leute, die wichtig sind, haben meine Durchwahl und wissen, in welchen Fällen sie die benutzen sollen. Sie machen keine Termine ohne vorherige Rücksprache mit mir.«
»Alles klar«, meinte Christiane salopp. »Äh, welche Auswärtstermine haben wir denn heute?«
»Da Sie gerade den Bürojob übernommen haben, gibt es für Sie heute keine Auswärtstermine. Einer Ihrer Kollegen wird mich fahren. Sie selbst haben mich auf diese Möglichkeit gebracht. Erinnern Sie sich?« Rebecca schmunzelte.
»Ja, aber . . . das war für den Notfall gedacht. Nicht dafür, daß Sie auf den Geschmack kommen.« Christiane tat verschnupft. »Am Ende gewöhnen Sie sich an die Kollegen und ich verliere meinen Job.«
Jetzt lachte Rebecca. »Keine Sorge. So weit kommt es schon nicht. Im Gegenteil. Wenn Anita wieder da ist, kann Sie Ihnen ein paar Dinge hier zeigen, damit Sie sie ab und an entlasten können.«
Christiane verzog skeptisch den Mund. »Ob das eine gute Idee ist? Anita wird denken, ich wolle ihr den Job klauen.«
»Nein, wird sie nicht«, sagte Rebecca bestimmt. »Anita wird froh sein, daß sie endlich auch mal zwei Wochen Urlaub am Stück genehmigt bekommt. Bisher war ihr nie mehr als eine Woche vergönnt.«
Das hörte sich einleuchtend an. »Hm, na dann.« Christiane ging zurück um den Schreibtisch und setzte sich auf Anitas Platz. »Warum nicht.«
Rebecca runzelte leicht die Stirn. »Christiane, das war eigentlich keine Bitte«, stellte sie klar. »Sondern als Maßnahme gedacht, um Ihre Wartezeiten mit etwas Nützlichem zu füllen. Ich werde anordnen, auch den anderen Fahrern kleinere administrative Aufgaben zuzuweisen. Ehrlich gesagt, ging ich davon aus, daß dies bereits der Fall
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