Die Frau im Rueckspiegel
wäre. Danke, daß Sie mich auf meinen Irrtum aufmerksam gemacht haben.«
Na prima. Christiane, eben noch bester Laune, klappte innerlich zusammen. Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten. Wenn die Kollegen hörten, wem sie diese Neuerung verdankten, redeten die sicherlich kein Wort mehr mit ihr. Damit nicht genug. Sprach sich ihr »Verdienst« erst herum, galt sie als Kratzfuß.
»Was ist?« fragte Rebecca.
»Nichts, außer daß alle denken werden, ich hätte mich mit diesem Hinweis bei Ihnen eingeschleimt.« Etwas unglücklich fügte Christiane hinzu: »Dabei wollte ich nur helfen.«
Rebecca lächelte spöttisch mild. »Tja, das Leben ist nur sehr selten fair.«
» Das Leben ist nur sehr selten fair. Ich hätte sie in dem Moment echt erwürgen können.« Christiane warf ihre Trainingstasche auf die Bank im Umkleideraum. »Das hat man nun davon, wenn man seine Hilfe anbietet.«
»Mit so was mußt du bei solchen Leuten doch immer rechnen. Was glaubst du, wie in den Chefetagen miteinander umgegangen wird.« Judiths Tasche plumpste neben die von Christiane. »Das ist wie Mord und Totschlag. Jeder verteidigt seinen Platz.«
»Woher willst du denn das wissen?« fragte Christiane. Judith arbeitete als technische Zeichnerin in einem Ingenieurbüro, einer kleinen Klitsche, wie sie selbst immer sagte. »Außerdem braucht Rebecca doch gar nichts verteidigen. Ihr gehört der Laden.«
»Warum läßt sie dich dann so auflaufen?«
»Vielleicht wollte sie sehen, wie ich reagiere.«
»Wieso?« fragte Judith verständnislos.
»Weiß nicht recht. Manchmal glaube ich, sie testet mich.«
»Testet? Du meinst, testen wie . . . provozieren?«
»Nein, testen wie . . . neugierig beobachten.«
»He, ihr beiden.« Susanne trat zu ihnen. »Kommt ihr morgen mit ins Kino?«
»Klar«, beschloß Judith für Christiane gleich mit. »Um wieviel Uhr treffen wir uns?«
»Halb acht, selbe Stelle wie immer.« Susanne ging weiter zur nächsten.
»Beeilung, die Damen!« rief es von draußen ungeduldig. Es war Uwes Stimme.
Wie schon die beiden letzten Trainingstage, kritisierte Uwe die kleinsten technischen Fehler. Jeden verlorenen Ball, jeden Fehlwurf wertete er in der Pause aus. Jede im Team mußte Federn lassen. Das hatte zur Folge, daß nach dem Training in der Kabine alle einen Rochus auf den Trainer hatten.
»Er tut ja gerade so, als machten wir die Fehler mit Absicht«, beschwerte Susanne sich.
»Der ist gereizt und läßt es an uns aus«, schnaufte Bianca.
Zustimmendes Gemurmel.
»Ach kommt, Mädels. Wollt ihr ihm das verdenken?« verteidigte Marina den Trainer. »Ihm geht es doch genauso wie uns. Kann eine von euch sich vorstellen, daß die Mannschaft sich auflösen muß, nur weil wir kein Geld in der Kasse haben? Das ist doch wirklich der absolute Horror.«
»Können wir nicht einen Kredit aufnehmen? Das machen heutzutage doch alle«, meinte Judith.
Susanne schüttelte den Kopf. »Ja, wenn man ein Einkommen nachweisen oder eine Sicherheit bieten kann. Das kann der Club aber nicht. Das einzige, was wir bieten können, ist das bißchen Werbefläche auf unseren Trikots und in der Halle. Nicht eben ein Superangebot.«
Betretenes Schweigen folgte. Das Gespräch starb ab. Man ging in die Duschen, zog sich um, packte die Tasche. Der Umkleideraum leerte sich nach und nach.
Christiane wartete noch auf Judith. »Daß du immer die letzte sein mußt«, beschwerte sie sich.
»Ich kann doch nichts dafür, daß es länger dauert, bis meine Haare trocken gefönt sind.« Judith zog ihre Schuhe an. Sie grinste. »Schönheit hat eben ihren Preis.«
»Ja, komm, meine Schönheit«, erwiderte Christiane amüsiert.
6
» C hristiane lehnte die Krücken an den Wagen und half Hanna beim Aussteigen. »Geht es?«
»Ja, ja.«
Die wenigen Schritte zum Haus, sogar die drei Stufen, meisterte Hanna ohne große Schwierigkeiten, aber vor der Treppe in den oberen Stock blieb sie zweifelnd stehen.
»Kommen Sie, ich helfe Ihnen.« Christiane half Hanna, so gut es ging.
Oben angekommen, schnaufte die Gehandicapte kräftig. »Und hier bleibe ich, bis ich wieder freihändig gehen kann.«
Christiane mußte grinsen. »Schätze, genau das war Rebeccas Absicht.«
Sie ging vor, öffnete Hanna die Tür – »Wenn Sie nach oben kommen, die dritte Tür auf der linken Seite«, hatte Rebecca gesagt – und staunte. Nicht über die Größe des Zimmers, auch nicht über seine helle, freundliche Einrichtung, sondern die Details, die das Willkommen
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