Die Frau im Rueckspiegel
ähnlich? . . . Das klappt schon.«
Und es hatte geklappt! Und wie!
Rebecca fühlte eisige Kälte in sich aufsteigen. Die Erkenntnis, daß Christiane sie belogen hatte, ihre Gefühle nicht echt waren, drückte erbarmungslos alles in ihr nieder, was ihr vor einer halben Minute noch unangreifbar erschienen war.
Es grenzte an ein Wunder, daß sie die Kraft aufbrachte, mit Hanna und Christiane zum Auto zu gehen. Auf dem Weg dorthin war Hanna die einzige, die redete. »So was, das gibt es doch gar nicht. Das war deine Freundin, Christiane? Du solltest dir die Leute besser ansehen. Die war doch total bekloppt. Völlig daneben . . .« So sprudelte es die ganze Zeit aus Hanna hervor.
Die Rückfahrt verlief dann schweigend. Sie setzten Hanna bei sich zu Hause ab. Den Rest des Weges, allein zu zweit, lastete das Schweigen von Minute zu Minute stärker auf ihnen.
Als sich das schmiedeeiserne Tor des Akazienweges 1 vor dem Wagen zurückzog, zog Christiane die Handbremse und öffnete die Fahrertür.
»Den Rest schaffst du wohl allein«, sagte sie und stieg aus.
Rebecca blieb regungslos sitzen. Sie hatte nicht gehört, was Christiane gesagt hatte, und bekam erst mit, daß diese die Straße hinunterging, als nichts mehr um sie herum geschah. Nur der Motor summte leise.
Rebecca stieg benommen aus, setzte sich auf den von Christianes Körperwärme noch ganz warmen Ledersitz.
Es rumorte in ihrem Kopf. Hatte sie es nicht gespürt? Christianes andauernde, merkwürdige Zurückhaltung. Deren ausweichende Antworten. Das alles war ihr aufgefallen. Aber sie hatte sich selbst beruhigt. Es auf die Neuartigkeit der Situation geschoben. Das war ja auch die wahrscheinlichste Erklärung.
Woher hätte sie ahnen sollen, daß Christiane auch nur ein Werkzeug war. Wie Liane, die von Marius geschickt wurde. Christiane wurde von Judith geschickt. Schickte sich selbst? Auch egal.
Und jetzt haute sie einfach ab. Wenn das kein Eingeständnis war!
Christiane hatte gewartet. Die ganze Fahrt über. Daß Rebecca irgend etwas sagen würde. Aber Rebecca schwieg. Hinter ihrer Stirn arbeitete es. Das konnte Christiane deutlich spüren. Und mit jeder weiteren Minute des Schweigens wuchs Christianes Enttäuschung. Wie konnte Rebecca ihr das sagen? Indem sie schwieg.
Ich vertraue dir nicht, sagte das Schweigen. Ich frage dich erst gar nicht, ob es wahr ist, daß du mich hintergangen hast. Obwohl es eine mir wildfremde Person war, die das behauptete. Ich frage nicht, weil ich es sowieso weiß. Du hast mich betrogen. Du brauchst nichts erklären, ich will es nicht hören.
All das sagte das Schweigen. Und mit jeder Minute wurde die Anklage lauter. Lauter als Worte jemals sein konnten.
Christiane lief die Straße hinunter. In ihren Augen schwammen Tränen.
Daß es mal dazu kommen würde, hatte sie ja gewußt. Es konnte nicht gutgehen zwischen ihnen beiden. Sie waren zu verschieden. Aber daß es auf diese Art endete, tat mehr weh als alles andere.
17
C hristiane nahm ihr Leben wieder auf, wie es vor Rebecca war. Ein Kniefall vor Michael brachte ihr ihren alten Job wieder. Sie meldete sich freiwillig für Überstunden.
Judiths Anrufe würgte sie ab. Ihre Mails, in denen sie sich wortreich entschuldigte, ließ sie unbeantwortet. Beim Training trafen sie zwangsweise aufeinander. Das Zusammenspiel des Angriffs litt im Training ganz klar unter ihrem Konflikt. Uwe schüttelte den Kopf, aber im Moment hatte er andere Sorgen als die offensichtliche Disharmonie seiner Angriffsspielerinnen. Vielleicht hielt er die vielen Fehlwürfe auch schlicht für die Folge der schlechten Zukunftsaussichten des Vereins.
Die Mitspielerinnen jedenfalls erklärten sich den schlechten Abschluß so. Ging es ihnen doch ebenso an die Nieren, daß der Verein kurz vor dem Aus stand. Aber einer fiel es dann doch auf: »Was ist mit unserem Doppelgestirn los? Ihr sprecht kein Wort mehr miteinander.« Die anderen stimmten ein.
Christiane erzählte Susanne unter dem Siegel der Verschwiegenheit, was Judith sich geleistet hatte. Vermutlich brauchte auch Judith jemanden, mit dem sie den Verlust ihrer besten Freundin teilen konnte. Schon beim nächsten Training wußten alle, was passiert war. Christiane spürte, die Mehrzahl im Club gab Judith recht. Nicht ihrem Ausraster, aber dem, was dahinterstand. Sie fühlten sich, wie Judith, von Christiane im Stich gelassen. Das sagten ihre Blicke deutlich.
Christiane begann langsam an sich selbst zu zweifeln. Sah sie das Ganze vielleicht doch
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