Die Frau im Rueckspiegel
mitnehmen sollen.«
»Mensch, Christiane. Du kannst uns doch nicht so im Stich lassen!« bearbeitete Judith ihre Freundin hartnäckig weiter. »Wenn ich so eine reiche Schnitte an Land gezogen hätte, würde ich sie sofort bitten. Der machen doch so ein paar Euros nichts aus. Die kann sie von der Steuer absetzen!«
»Ich will das nicht.«
»Aber so war der Plan!« begehrte Judith auf. »Jetzt plötzlich machst du einen auf Gewissen.«
»Es war nicht mein Plan, es war deiner.«
»Aber du hast mitgemacht!«
»Nein, hab ich nicht. Ich hab mich in Rebecca verliebt.«
»Das sagst du jetzt, weil du deine goldene Gans lieber für dich allein haben willst.«
Christianes Gesicht fror ein. »Judith! Das nimmst du sofort zurück.«
»Nein!«
»Dann sind wir die längste Zeit Freundinnen gewesen.«
»Wenn du eine richtige Freundin wärst, würdest du mich und die anderen nicht hängenlassen.«
»So siehst du das?«
»Ja, so sehe ich das!«
Christiane schüttelte ungläubig den Kopf. Wortlos ließ sie Judith stehen.
Draußen wartete Rebecca auf sie. »Lief nicht so gut, was?« empfing sie Christiane. Auch Hanna schaute betrübt drein.
»Nein«, seufzte Christiane. Doch weniger wegen des schlechten Spielresultats. Der Streit mit Judith ging ihr im Moment mehr an die Nieren als das schlechte Abschneiden der Mannschaft. Sie hatte stets geglaubt, Judiths Bemerkungen wären nur Rumwitzelei gewesen. Nun stellte sich heraus, daß sie es ernst meinte. War das zu fassen?!
»Wollte deine Freundin nicht mit uns mitkommen?« wunderte Rebecca sich jetzt. »Sie sagte doch vorhin, ihr Auto sei kaputt.«
»Sie hat es sich anders überlegt.«
»Okay. Ja dann . . .« Rebecca legte ihren Arm um Christiane. »Was machen wir jetzt, um den Tag noch zu retten?«
»Pah, den Tag retten. Ihr habt Sorgen«, vernahm Christiane da Judiths Stimme in ihrem Rücken. Sie drehten sich alle drei automatisch um.
»Schon klar, warum du plötzlich nichts mehr von uns wissen willst«, grollte die. »Du bist jetzt anderweitig beschäftigt. Was schert dich da der doofe Verein.«
»Judith, reiß dich zusammen!« warnte Christiane sie.
»Hast du Angst, deine liebe Freundin hier«, Kopfbewegung in Rebeccas Richtung, »könnte erfahren, warum du eigentlich mit ihr zusammen bist?«
Christiane lief rot an. Das konnte Judith nicht bringen! Sie würde nicht . . .
Judith fixierte Christiane wütend. Und Christiane war klar: Doch, sie würde. Und da begann Judith auch schon.
»Weil sie nämlich auf deinen Schotter total abfährt«, wandte sie sich wütend Rebecca zu. »Von Anfang an. Sie sollte dich rumkriegen, damit du unseren Verein sponserst. Das mit dem Rumkriegen hat auch prima geklappt, aber jetzt will die Dame«, verächtlicher Blick zu Christiane, »dem Verein nicht mehr helfen. Ist plötzlich geläutert. Verliiiiebt! Wer’s glaubt!« Judith schnaufte. »Ach, Scheiße«, knurrte sie und trat ab.
Christiane stand da, zur Salzsäule erstarrt. Abgesehen davon, daß Judith die Tatsachen völlig verdreht und gelogen hatte, daß sich die Balken bogen, hatte sie eine der empfindlichsten Stellen in Rebeccas Seele getroffen. Das wußte Christiane nur zu gut.
Es wunderte sie also nicht, daß Rebecca gerade einer Figur in Stein gemeißelt glich.
»Was war das denn?« fiepte Hanna ähnlich paralysiert.
In Rebeccas Erinnerung zog es plötzlich alle fehlenden Puzzleteile an ihren angestammten Platz. Die Lücken schlossen sich wie von selbst. Die Teile ergaben wieder ein Ganzes. Auch daran, wie der Mann in der Hotelbar ausgesehen hatte, erinnerte Rebecca sich wieder. Aber eine Erinnerung, nämlich die, als sie auf Christiane vor der Umkleidekabine gewartet hatte, verdrängte im Moment alle anderen.
Diese Judith hatte gesagt: »He, das wäre doch die Lösung für unser Sponsorenproblem! Du flirtest ein bißchen mit ihr, und bei passender Gelegenheit fragst du sie, ob sie nicht – na, sagen wir fünfzigtausend – übrig hat. . . . Mal ernsthaft. Ist doch nichts dabei. Du hast endlich mal wieder Sex – in letzter Zeit bist du sowieso so unausgeglichen –, und dann läßt du die Sache im Sand verlaufen.«
Worauf Christiane antwortete: »Das wird ja immer schlimmer. Erst flirten, und nun soll ich auch noch mit ihr schlafen.«
Judith wiederum: »Na ja, mußt du ja nicht. Wickle sie einfach ein wenig um den Finger. Und glaube mir, Skrupel sind völlig unangebracht. War sie nicht die Frau mit dem Spruch Das Leben ist nicht immer fair oder so
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