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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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drallen Figuren gefielen ihr nicht. Sie hatten etwas Unheimliches an sich. Als würden sie jeden ihrer Schritte verfolgen.
    Bernhardine gähnte und rieb sich die Schläfe. Seit Tagen schlief sie schlecht, hatte Kopfschmerzen, und eine ständige Übelkeit raubte ihr den Appetit. Normalerweise war sie gesund wie ein Haflinger auf der Weide. Doch in letzter Zeit fühlte sie sich oft krank. Genauer gesagt, seitdem diese grässlichen Putten angebracht worden waren. Ob da ein Zusammenhang bestand? Sie fröstelte plötzlich, drehte sich auf die Seite und schloss die Augen.

    Die Räder rumpelten über ein Schlagloch, und die Kutsche kam gefährlich ins Schwanken. Bernhardine schreckte auf, klammerte sich mit einer Hand an den Haltegriff, mit der anderen hielt sie ihren Hut fest. Die Karosse glich immer mehr einem fahrenden Backofen. Der Schweiß lief ihr schon seit Stunden den Rücken hinab. Das Mieder war durchnässt, die Unterröcke klebten ihr wie eine zweite Haut an den Beinen und begannen schon zu riechen. Marie, die sie auf der Fahrt begleitete, saß ihr gegenüber und war eingeschlafen. Ihre alte Amme schnarchte mit halb geöffnetem Mund. Ein Speichelfaden rann aus ihrem Mundwinkel und tropfte auf den stattlichen Busen.
    Bernhardine massierte ihren verspannten Nacken und sah aus dem Fenster. Die Gemeinden waren klein und ärmlich. Nicht mehr als ein paar schäbige Hütten, die sich um ihre Dorfkirchen scharten wie Lämmer um das Mutterschaf. Äcker und Obstbäume säumten den unebenen Weg, unterbrochen von Tannenwäldern.
    Sie mochte das Landleben nicht. Zu viel Vieh, zu viel Gestank und zu wenig Zerstreuung. In der Ferne erhoben sich schneebedeckte Gipfel im Dunst. Nach Auskunft des Kutschers würden sie ihr neues Zuhause bald erreicht haben.
    Das Gefährt stoppte abrupt. Bernhardine wurde nach vorne geschleudert und fiel auf Marie, die mit einem Quieken aus dem Schlaf fuhr.
    »Jesses Maria und Josef!«, stammelte sie und starrte Bernhardine entsetzt an. Im selben Moment wurde auch schon die Tür aufgerissen. Als der Kutscher Bernhardines verrutschtes Kleid sah, färbte sich sein Gesicht dunkelrot.
    »Entschuldgen Se vielmals, die werten Damen. Eine Schafherde versperrt den Weg. Wollen Se sich die Füß’ vertretn? Ich such gleich den Schäfersmann und mach dem Halunk’ Beine.«
    »Mache Er schnell!«, befahl Bernhardine und ordnete ihre Röcke.
    »Sehr wohl, gnädges Fräulein«, erwiderte der Mann, verbeugte sich und machte sich aus dem Staub.
    Bernhardine griff nach ihrem Sonnenschirm und stieg aus der Equipage. Sie befanden sich in einem Birkenwäldchen. Eine leichte Brise ließ die Blätter rascheln. Sie hätte gerne ihr Kleid angehoben, um etwas Luft an ihre Haut zu lassen, doch ein Blick in Richtung Schafherde hielt sie davon ab. Zwischen den schmutzigen Wollleibern sah sie eine Horde Kinder, die die Reisenden angafften, als wären sie exotische Tiere. Bernhardine spannte ihren Schirm auf und versuchte, ein paar Schritte zu gehen. Doch rings um sie herum waren nur blökende, penetrant riechende Schafe und Lämmer.
    »Husch!«, rief sie, als ihr eines zu nahe kam, und scheuchte es mit dem Sonnenschirm fort.
    Hinter ihr ertönte ein scharfer Pfiff. Sie drehte sich um und sah einen schwarz-weiß gefleckten Hund, der bellend durch die Schafherde preschte. Dabei teilte er sie in zwei Hälften wie einst Moses das Rote Meer. Der Kutscher kam schnaufend auf sie zugestolpert und wischte sich über die Stirn. Sein Gesicht war schweißüberströmt.
    »Gleich geht’s weiter«, japste er, beugte sich vornüber und stützte die Hände auf die Knie.
    Bernhardine schnupperte. War das etwa Bierdunst, was sie in seinem Atem roch? Wie zur Bestätigung unterdrückte der Mann einen Rülpser.
    »Wir fahren!«, zischte sie und funkelte den Fuhrknecht böse an.

2
    Seengen, 2010
    D as Trottengässli hatte sich nicht verändert. Anouk erinnerte sich daran, wie sie dort als Kinder immer Himmel und Hölle auf der Straße gespielt hatten. Eine getigerte Katze sonnte sich auf dem warmen Gehsteig. Sie beachtete Anouk nicht, gähnte ausgiebig und fing an, sich das Fell zu lecken. Großtante Valeries Häuschen lag am Ende der kurzen Sackgasse. Es war ein hübsches Fachwerkhaus inmitten eines parkähnlichen Gartens. Die alte Dame hatte schon vor Jahren ihre Gemüse- und Blumenbeete zugunsten eines pflegeleichteren Rasens umpflügen lassen. Frisch gemähtes Gras leuchtete Anouk wie ein grüner Orientteppich entgegen. Sie runzelte die

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