Die Frau mit dem roten Herzen
sei.
Dann wollte Catherine ihren Chef anrufen.
Er entschuldigte sich und rauchte auf dem Gang eine Zigarette.
Das Gespräch war kurz. Noch bevor er mit seiner Zigarette zu Ende war, streckte sie den Kopf aus der Tür. Über die im Dämmerlicht liegende alte Stadt blickend, sagte sie, ihr Chef habe vorgeschlagen, sie solle zurückfliegen. Allerdings schien sie nicht begierig, dem nachzukommen.
»Vielleicht schaffen wir ja morgen den Durchbruch«, meinte sie.
»Hoffen wir es. Vielleicht kann das Weissagungsgedicht dazu beitragen. Ich werde mich jetzt ein wenig ausruhen. Morgen haben wir einen langen Tag vor uns.«
»Sollte sich etwas ereignen, dann rufen Sie mich über Haustelefon an.« Dann fiel ihr ein, daß es in seinem Zimmer ja keinen Apparat gab. »Oder klopfen Sie einfach.«
»Das werde ich.« Dann fügte er noch hinzu: »Vielleicht können wir später noch einen kleinen Abendspaziergang machen.«
Er ging in sein Zimmer. Als er das Licht anknipste, sah er zu seiner Überraschung einen Mann auf seinem Bett sitzen –genauer gesagt machte er dort, den Kopf an das Kopfteil gelehnt, ein Nickerchen.
Der Kleine Zhou fuhr erschrocken hoch. »Ich habe auf Sie gewartet. Tut mir leid, daß ich eingeschlafen bin, Oberinspektor Chen.«
»Sie mußten lange warten. Was bringt Sie hierher, Kleiner Zhou?«
»Etwas, das Hauptwachtmeister Yu geschickt hat. Es steht drauf, daß es nur Ihnen persönlich ausgehändigt werden soll.«
Seit Qiaos Entführung kontaktierte Chen den Hauptwachtmeister nur noch per Handy oder im Notfall durch den Kleinen Zhou, der sein volles Vertrauen besaß.
»Sie hätten aber nicht den weiten Weg hierher machen müssen«, sagte Chen. »Morgen werde ich zurück im Präsidium sein. Weiß jemand von Ihrer Fahrt nach Suzhou?« erkundigte er sich.
»Keiner. Nicht einmal Parteisekretär Li.«
»Vielen Dank, Kleiner Zhou. Sie nehmen wegen mir ein großes Risiko auf sich.«
»Nicht der Rede wert, Oberinspektor Chen. Ich bin Ihr Mann. Alle im Präsidium wissen das. Ich könnte Sie heute abend zurückfahren. In Shanghai ist es sicherer.«
»Nein, keine Sorge. Wir haben hier noch zu tun«, erwiderte Chen. »Ich werde im Hotel fragen, ob ein Zimmer frei ist. Dann können Sie morgen früh zurückfahren.«
»Das ist nicht nötig. Wenn Sie hier nichts weiter für mich zu tun haben, fahre ich lieber heute noch zurück. Aber erst gehe ich auf den Nachtmarkt und esse ein paar Spezialitäten.«
»Gute Idee. Lebende Flußkrebse sind hier ein Muß. Und der geschmorte Tofu natürlich.« Er schrieb dem Kleinen Zhou seine Handy-Nummer auf eine Visitenkarte. »Unter dieser Nummer können Sie mich immer erreichen.«
Er brachte den Kleinen Zhou noch bis zur Tür. »Es ist ein weiter Weg bis Shanghai. Fahren Sie vorsichtig, Kleiner Zhou.«
»Zwei Stunden. Keine Sache.«
Zurück im Zimmer öffnete er den Umschlag. Er enthielt eine Kassette mit einer kurzen Botschaft von Yu.
Oberinspektor Chen:
Nach meinem Gespräch mit Zheng habe ich Tong Jiaqing in einem Friseursalon aufgestöbert. Sie ist Anfang Zwanzig und bereits mehrmals wegen unzüchtigen Verhaltens vorbestraft, wurde aber jedesmal bald wieder freigelassen. Hier folgt die Befragung, die in ihren Privaträumen stattfand. Ihrem Beispiel im Fall mit der Modellarbeiterin folgend, hatte ich im Salon einen Termin mit ihr vereinbart.
Yu: Sie sind Tongjiaqing?
Tong: Stimmt. Warum wollen Sie das wissen?
Yu: Ich bin vom Shanghaier Polizeipräsidium. Hier ist mein Dienstausweis.
Tong: Was! Ein Bulle. Ich habe nichts verbrochen, Wachtmeister Yu. Seit Anfang des Jahres arbeite ich hier als gesetzestreue Friseuse.
Yu: Ich weiß genau, was Sie hier tun, und es interessiert mich nicht. Solange Sie wahrheitsgemäß meine Fragen beantworten, werde ich Ihnen keine Schwierigkeit machen.
Tong: Was für Fragen?
Yu: Fragen über Feng Dexiang.
Tong: Feng Dexiang, der war früher mal Kunde von mir.
Yu: Hier in diesem Salon?
Tong: Nein, in einem Massagesalon in Fuzhou.
Yu: Dort haben die Kollegen Sie mehrfach verhaftet. Haben Sie ihn häufiger getroffen?
Tong: Das ist über ein Jahr her. Er hatte ein kleines Geschäft, irgendwas mit gefälschten Jadearmbändern, können aber auch Flußkrebse gewesen sein. Eine Zeitlang, vier, fünf Monate vielleicht, kam er ein- bis zweimal wöchentlich in den Salon.
Yu: Beschreiben Sie seine Besuche genauer.
Tong: Na ja, das können Sie sich doch vorstellen. Muß ich Ihnen das wirklich in allen Details erzählen? Sie
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