Die Frau mit dem roten Herzen
werden, dieses Schwein. Er war nämlich die vierte Bestie an jenem Abend.
Yu: Das allein würde genügen, um Sie wieder hinter Gitter zu bringen. Gruppensex ist illegal. Aber ich bin in Zivil hier. Niemand weiß von meinem Besuch. Und warum? Weil diese Ermittlungen unmittelbar der Regierung in Peking unterstehen.
Tong: Niemand weiß, daß wir hier miteinander reden?
Yu: Kein Mensch. Deshalb bin ich ja in Ihre Privaträume gekommen. Wenn ich nachher rausgehe, zahle ich für den normalen Service. Niemand wird etwas vermuten.
Tong: Hmm, das muß ich Ihnen wohl glauben, Wachtmeister Yu. Vielleicht habe ich etwas für Sie. Aber über Fengs derzeitige Situation wußte ich bis letzte Woche wirklich nichts. Da ist nämlich so ein Ganove zu mir gekommen.
Yu: Einer von den Fliegenden Äxten hat Sie besucht? Weshalb denn, Tong?
Tong: Er hat mich dieselben Sachen gefragt wie Sie eben.
Yu: Und wie hieß er?
Tong: Zhang Shan. Er sagte, er sei aus Hongkong, aber mir konnte er nichts vormachen. Wenn der aus Hongkong war, dann bin ich aus Japan. Der Kerl hatte ‘ne Visage wie ‘ne Steinmauer.
Yu: Wieso sind Sie sich da so sicher? Er hatte sich die Aufenthaltsgenehmigung wohl nicht auf die Stirn geklebt.
Tong: Als ich ihm keine Auskunft geben konnte, verlangte er den Spezialservice gratis, andernfalls, so drohte er, würde er mir das Gesicht zerschneiden. Meinen Sie vielleicht, einer aus Hongkong würde sich so weit herablassen? Das war ein ganz gewöhnliches, fauliges Tausendjähriges Ei.
Yu: Hat er Ihnen etwas über Feng erzählt?
Tong: Im Bett hat er mir die halbe Nacht keine Ruhe gegönnt. Danach murmelte er etwas von Feng und seiner Frau.
Yu: Das könnte wichtig sein. Was genau hat er gesagt?
Tong: Die Geheimgesellschaft ist total sauer. Sie tun alles, um seine Frau zu finden.
Yu: Und wenn sie sie finden?
Tong: Das hängt von Feng ab.
Yu: Was soll das heißen?
Tong: Er hat das nicht näher erklärt. Vermutlich werden sie sie als Geisel nehmen, sie in einen Keller stecken, sie foltern. Da kann man sich allerhand vorstellen. Wenn Feng nicht kooperiert, werden sie die Achtzehn Äxte anwenden, vermute ich mal.
Yu: Die Achtzehn Äxte?
Tong: Sie werden sie mit achtzehn Axthieben zerstückeln. Das ist die schlimmste Form der Bestrafung bei diesen Triaden. Sie dient als Abschreckung für andere.
Yu: Bis zum Verhandlungstermin sind es nur noch zwei Wochen. Was werden sie tun, wenn sie Wen bis dahin nicht gefunden haben?
Tong: Keine Ahnung, aber ich hatte das Gefühl, daß sie etwas sehr beunruhigt. Ich kann nicht sagen, was es ist. Jedenfalls werden sie nicht lockerlassen, bis sie sie haben. Um jeden Preis, so hat Zhang sich ausgedrückt.
Yu: Um jeden Preis. Verstehe. Hat er sonst noch was gesagt?
Tong: Das war alles, Wachtmeister Yu. Ein Kerl wie der kriegt den Mund nicht mehr auf, sobald er bekommen hat, was er wollte. Ich wollte nicht den Anschein erwecken, als sei ich an Feng interessiert. Ich wußte ja nicht, daß Sie heute hier auftauchen würden.
Yu: Nun, wenn es wahr ist, was Sie mir da erzählt haben, werden Sie wohl auch nicht wieder von mir hören. Sollte dem allerdings nicht so sein, dann wissen Sie, was passiert.
Tong: Ich habe nichts als die Wahrheit gesagt.
Oberinspektor Chen drückte auf den Knopf und zündete sich eine Zigarette an.
Er war deprimiert. Er hatte es schon mit übleren Fällen zu tun gehabt, aber etwas an diesem hier beunruhigte ihn zutiefst. Er saß da, den Kopf gegen das harte Kopfteil gelehnt, und beobachtete das exotische Lichtmuster, das über die gegenüberliegende Wand huschte wie ein Tänzer mit Teufelsmaske in einem Film.
In Augenblicken wie diesen haßte er seinen Beruf.
Es machte ihn betroffen, daß Wens Leben eine so schreckliche Wendung genommen hatte. Jetzt war ihm klar, warum sie sich nicht schon im Januar um einen Paß beworben hatte. Warum hätte sie einem so abscheulichen Ehemann folgen sollen? Das wiederum führte unmittelbar zu der Frage, was ihren Sinneswandel herbeigeführt hatte. Was konnte dieses einst so lebensfrohe Mädchen, die »hübscheste Linke« mit der stolz getragenen Armbinde der Roten Garden, dazu veranlaßt haben, den Rest seines Lebens wie ein Stück Fleisch auf der Schlachtbank zu verbringen und von diesem Metzger aufgeschlitzt und angesengt zu werden?
Und das Tonband provozierte eine noch viel verstörendere Frage. Auch hier waren Kriminelle aus Hongkong involviert, nicht bloß die gewöhnlichen ortsansässigen Banditen. Natürlich
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