Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
stattfindet, die für die meisten unsichtbar im Preise der Waren zum Ausdruck kommen und sie über die Steuerquoten, die sie zahlen, täuschen. Wieviel Brot-, Salz-, Fleisch-, Zucker-, Kaffee-, Bier-, Petroleumsteuer oder Zoll usw. jemand zahlt, ist den meisten unbekannt und schwer zu berechnen; sie ahnen nicht, wie stark sie geschröpft werden. Und diese Abgaben wachsen im Verhältnis zur Kopfzahl ihrer Familienglieder, sie bilden also die ungerechteste Besteuerungsweise, die sich denken läßt. Umgekehrt prahlen die besitzenden Klassen mit den von ihnen gezahlten direkten Steuern und messen sich nach der Höhe derselben die politischen Rechte zu, die sie der nichtsbesitzenden Klasse verweigern. Dazu kommt die Staatshilfe und Staatsunterstützung, die sich die besitzenden Klassen durch Steuerprämien und Zölle auf alle möglichen Lebensmittel, sowie durch sonstige Beihilfen in Höhe von vielen Hunderten Millionen jährlich auf Kosten der Masse gewähren. Es kommen weiter hinzu die Riesenausbeutungen durch Preiserhöhungen auf die verschiedensten Bedarfsartikel, die die großkapitalistischen Unternehmerorganisationen durch Ringe, Trusts und Syndikate vornehmen und die der Staat durch seine Wirtschaftspolitik befördert oder widerspruchslos duldet, wenn nicht sogar durch eigene Anteilnahme unterstützt.
Solange die ausgebeuteten Klassen über die Natur aller dieser Maßregeln im Dunkeln gehalten werden können, bergen sie für Staat und herrschende Gesellschaft keine Gefahr. Sobald diese aber zur Kenntnis der geschädigten Klassen kommen – und die steigende politische Bildung der Massen befähigt sie immer mehr dazu –, erregen diese Maßregeln, deren schreiende Ungerechtigkeit auf der Hand liegt, die Erbitterung und Empörung der Massen. Der letzte Funke von Glauben an das Gerechtigkeitsgefühl der herrschenden Gewalten wird zerstört und die Natur des Staates, der solche Mittel anwendet, und das Wesen einer Gesellschaft, die sie fördert, wird erkannt. Der Kampf bis zu beider Vernichtung ist die Folge.
In dem Streben, den widerstreitendsten Interessen gerecht zu werden, häufen Staat und Gesellschaft Organisationen auf Organisationen, aber keine alte wird gründlich beseitigt und keine neue gründlich durchgeführt. Man bewegt sich in Halbheiten, die nach keiner Seite befriedigen. Die aus dem Volksleben emporwachsenden Kulturbedürfnisse erfordern, soll nicht alles aufs Spiel gesetzt werden, einige Berücksichtigung, sie erheischen auch in ihrer verstümmelten Ausführung bedeutende Opfer, um so bedeutendere, weil überall eine Menge Parasiten vorhanden sind. Daneben bleiben aber alle mit den Kulturzwecken in Widerspruch stehenden Institutionen nicht nur aufrechterhalten, sie werden vielmehr infolge der bestehenden Klassengegensätze erweitert und werden um so lästiger und drückender, wie die steigende Einsicht sie immer lauter für überflüssig erklärt. Polizeiwesen, Militärwesen, Gerichtsorganisation, Gefängnisse, der ganze Verwaltungsapparat werden immer ausgedehnter und kostspieliger, aber es wächst dadurch weder die äußere noch die innere Sicherheit, vielmehr tritt das Umgekehrte ein.
Ein ganz unnatürlicher Zustand hat sich allmählich in den internationalen Beziehungen zwischen den einzelnen Nationen herausgebildet. Diese Beziehungen mehren sich in dem Maße, wie die Warenproduktion zunimmt, der Austausch der Warenmassen mit Hilfe stetig sich vervollkommnender Verkehrsmittel ein immer leichterer wird und die wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Errungenschaften Gemeingut aller Völker werden. Man schließt Handels- und Zollverträge, baut mit Hilfe internationaler Mittel kostspielige Verkehrswege (Suezkanal, St. Gotthardtunnel usw.). Die einzelnen Staaten unterstützen mit großen Summen Dampferlinien, die den Verkehr zwischen den verschiedensten Ländern der Erde steigern helfen. Man gründete den Weltpostverein – ein Kulturfortschritt ersten Ranges –, beruft internationale Kongresse für alle möglichen praktischen und wissenschaftlichen Zwecke, verbreitet die vornehmsten Geisteserzeugnisse der einzelnen Nationen durch Übersetzungen in die verschiedenen Sprachen der Hauptkulturvölker, und arbeitet durch das alles immer mehr auf die Internationalisierung und Verbrüderung der Völker hin. Aber der politische und militärische Zustand Europas und der Kulturwelt steht mit dieser Entwicklung in einem seltsamen Gegensatz. Nationalitätenhaß und Chauvinismus wird hüben
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