Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
könnten noch weit rationeller eingerichtet werden, so daß bei einer Gesamtproduktion, auf der höchsten technischen Produktionsform, ein noch weit größeres Arbeitsquantum hergestellt werden würde.
Was bei einer Produktion, die auf rationellste Basis gestellt ist, an Zeit gewonnen werden kann, darüber hat 1886 Th. Hertzka in seinem Buche "Die Gesetze der sozialen Entwicklung" eine interessante Berechnung angestellt. Er untersuchte, was für ein Aufwand an Arbeitskräften und Zeit notwendig sei, um die Bedürfnisse der damals 22 Millionen Köpfe zählenden Bevölkerung Österreichs auf dem Wege der Großproduktion herzustellen. Zu diesem Zwecke zog Hertzka Erkundigungen ein über die Leistungsfähigkeit der Großbetriebe auf den verschiedenen Gebieten und stellte danach seine Berechnungen auf. Hierbei ist einbegriffen die Bewirtschaftung von 10½ Millionen Hektar Ackerboden und von 3 Millionen Hektar Wiesen, die für die erwähnte Bevölkerungszahl genügen sollen, um ihren Bedarf an Ackerbauprodukten und Fleisch zu decken. Weiter schloß Hertzka in seine Berechnung die Herstellung von Wohnungen ein, dergestalt, daß jede Familie ein eigenes Häuschen von 150 Quadratmetern mit fünf Wohnräumen erhält, das auf eine Dauer von 50 Jahren berechnet ist. Es ergab sich, daß für die Landwirtschaft, die Bautätigkeit, die Mehl- und Zuckerproduktion, die Kohlen-, Eisen- und Maschinenindustrie, die Bekleidungsindustrie und die chemischen Industrien 615.000 Arbeitskräfte notwendig seien, die in dem jetzt gewohnten täglichen Durchschnittszeitenmaß das Jahr über tätig sein müßten. Diese 615.000 Köpfe bildeten aber nur 12,3 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Österreichs, wenn alle Frauen sowie die männliche Bevölkerung unter 16 und über 50 Jahren der Produktion fernblieben . Würden die zur Zeit der Berechnung vorhandenen 5 Millionen Männer, gleich den 615.000, beschäftigt, so braucht jeder derselben nur 36,9 Tage, rund 6 Wochen zu arbeiten , womit die notwendigsten Lebensbedürfnisse für 22 Millionen Menschen hergestellt würden. Nehmen wir aber 300 Arbeitstage im Jahre anstatt 37, so würden, den Arbeitstag mit 11 Stunden in Ansatz gebracht, bei er neuen Organisation der Arbeit täglich nur 1 3 / 8 Stunden nötig sein, um die notwendigsten Bedürfnisse zu decken .
Hertzka bringt auch die Luxusbedürfnisse der Bessersituierten in Rechnung und findet, daß die Herstellung derselben, für einen Bedarf von 22 Millionen Menschen, weitere 315.000 Arbeiter erfordere. Im ganzen wären alsdann, nach Hertzka, unter Berücksichtigung einiger in Österreich ungenügend vertretener Industrien, rund eine Million, gleich 20 Prozent der arbeitsfähigen männlichen Bevölkerung, mit Ausschluß derjenigen unter 16 und über 50 Jahren, nötig, um die gesamten Bedürfnisse der Bevölkerung in 60 Tagen zu decken. Bringen wir wieder die gesamte arbeitsfähige männliche Bevölkerung in Rechnung, so hätte diese täglich nur zweieinhalb Stunden durchschnittliche Arbeitszeit zu leisten .
Diese Rechnung wird niemand überraschen, der die Verhältnisse übersieht. Nehmen wir nun an, daß bei einem solchen mäßigen Zeitmaß, mit Ausnahme von Kranken und Invaliden, auch die über 50 Jahre alten Männer noch zu arbeiten vermögen, daß ferner die Jugend unter 16 Jahren tätig sein könnte, ebenso ein großer Teil der Frauen, soweit diese nicht für Kindererziehung, Nahrungszubereitungen usw. in Anspruch genommen sind, so könnte die Arbeitszeit noch weiter ermäßigt oder es könnten die Bedürfnisse erheblich gesteigert werden. Auch wird niemand bestreiten wollen, daß nicht noch sehr bedeutende, gar nicht abzusehende Fortschritte in der Vervollkommnung des Arbeitsprozesses gemacht werden, die weitere Vorteile schaffen. Andererseits handelte es sich darum, für alle eine Menge Bedürfnisse zu befriedigen, die heute nur eine Minorität befriedigen kann, und bei höherer Kulturentwicklung entstehen immer neue Bedürfnisse, die ebenfalls befriedigt werden sollen. Es muß immer wiederholt werden, die neue Gesellschaft will nicht proletarisch leben, sie verlangt als ein hochentwickeltes Kulturvolk zu leben, und zwar in allen ihren Gliedern, vom ersten bis zum letzten . Sie soll aber nicht bloß allen ihre materiellen Bedürfnisse befriedigen, sie soll auch allen ausreichende Zeit für die Ausbildung in Künsten und Wissenschaften aller Art und zur Erholung ermöglichen.
3. Organisation der
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