Eternal - In den Armen des Vampirs
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E r stand unter der Akropolis und ihren immer länger werdenden Schatten, hoch über Athen, und sah dabei zu, wie sich die letzten Sonnenstrahlen davonstahlen. Mit der hereinbrechenden Dunkelheit spürte er auch das Böse der Nacht herangleiten, ganz wie die Beute, die er heute Nacht schlagen wollte.
Mit gesenktem Kopf durchquerte Arlan die Agora und ließ die lärmenden Touristen hinter sich, die wieder in ihre Busse stiegen.
Vor zwei Wochen war Tausende von Kilometern entfernt in der amerikanischen Kleinstadt Clare Point das Urteil gegen einen Menschen namens Robert Romano ergangen. Zwölf Dolche, in eine alte Eichentafel gestoßen, hatten sein Schicksal besiegelt. Über ein Jahrzehnt und über mehrere Kontinente hinweg wurde dieser Kinderschänder, ein Monstrum, das im Untergrund Kinder als Sexsklaven verkaufte, nun schon von den Gesetzeshütern gejagt. Robert Romano, den man auch unter diversen Decknamen kannte, war kürzlich auf die FBI -Liste der meistgesuchten Verbrecher gesetzt worden, nachdem er eine Fünfjährige aus einem Lebensmittelladen am Rande von Detroit entführt hatte. Das FBI wusste nicht, wo er sich im Augenblick aufhielt. Romano war vorsichtig, und er war gerissen.
Aber nicht gerissen genug.
In zwanzig Minuten würde der sechsundvierzigjährige Romano wie verabredet am südlichen Ende der Agora warten, an einem Treffpunkt, den nach Einbruch der Nacht die Geister der Vergangenheit und die Gespenster der Gegenwart zum Leben erweckten. Der Mensch wollte in bar den Kaufpreis für zwei kleine Jungen im Alter von sechs und neun Jahren entgegennehmen, die derzeit in einer Wohnung zwei Blocks entfernt festgehalten wurden. Die Lieferung sollte erfolgen, sobald Romano das Geld in kleinen Euro-Scheinen erhalten hatte. Bedauerlicherweise würde der unglückliche Käufer seine Ware allerdings nie in Empfang nehmen können, denn Arlan war ebenfalls da. Einige als Reinigungsteam getarnte griechische Polizisten würden die Kinder befreien und den Käufer festnehmen. Und dann war Romano nicht länger Sache der örtlichen Behörden.
Nun, da sich die Dunkelheit fast vollständig herabgesenkt hatte, war die warme Abendluft schwer von den Geräuschen und Gerüchen der alten Stadt. Wenn Arlan die Augen schloss, rochen und klangen alle Städte gleich. Dies hier hätte jede Straße in jeder Stadt der Welt in den letzten 1000 Jahren sein können.
Er atmete tief ein, hob das Kinn und blähte die Nasenlöcher. Jemand briet Fleisch in einem der nahen Touristenlokale … Lamm. Anderswo floss ein Abwasserkanal über. Er roch den Hauch eines billigen Damenparfums, obwohl er allein im Zwielicht war. In die Nachtluft mischte sich auch der saure Körpergeruch eines Menschen. Und das stinkende Bouquet von Flöhen, die sich am Blut eines Nagers gütlich taten.
In der Ferne, jenseits der Ruinenstätte, hörte Arlan, wie sich Türen öffneten und schlossen. Schwere wie leichte Schritte hallten durch den aufkommenden Abenddunst. Im Laufe der Zeit hatte das Motorengeräusch von Autos und Motorrädern das Räderrattern von hölzernen Karren und Kutschen abgelöst. Und dennoch war für ihn noch immer alles wie früher.
Dies waren die Geräusche und Gerüche der Menschheit. In guten Zeiten. In schlechten Zeiten. Trotz ihrer vielen hässlichen Seiten sehnte sich Arlan danach, zu dieser Welt zu gehören. Er beneidete den Mann, der gerade an der Straßenecke Lammfleisch für Gyros briet, die Frau, die das Fenster zuknallte, damit niemand hörte, was sie ihrem untreuen Liebhaber an den Kopf warf. Arlan würde nie die Banalität eines sterblichen Lebens kennenlernen.
Als er schrilles Lachen hörte, erstarrte er. Trotz des schützenden Deckmantels der Dunkelheit war er in der menschlichen Gestalt, die er angenommen hatte, durchaus angreifbar. Er blickte aufmerksam in Richtung der lärmenden, geschäftigen Plaka, die nur ein paar Blocks entfernt lag. Dort ließen sich die Touristen durch die Straßen treiben, freuten sich auf Moussaka und Ouzo und den wertlosen Krimskrams, den sie als Andenken an ihre Reise zu kaufen gedachten. Sie ahnten ja nicht, dass das Böse in den Schatten lauerte und dass zwei hilflosen Kindern Rettung nahte.
Arlans Partner war noch immer nicht da. Er sah auf sein Handy. Kein Anruf. Regan hatte schon zwanzig Minuten Verspätung.
Arlan biss unentschlossen die Zähne zusammen.
Der Plan sah vor, dass sich Regan, der angebliche Kunde, mit Romano am Areopag treffen sollte. Arlan würde Schmiere
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