Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Kulturarbeiten. Außerdem sorgen die herrschenden Klassen und ihre Regierungen dafür, wie das oben ausgeführt wurde, daß die militärischen Rüstungen und Kriege an ihrer eigenen Ungeheuerlichkeit ihr Ende erreichen. So werden die letzten Waffen gleich so vielen ihnen vorangegangenen in die Antiquitätensammlungen wandern, um zukünftigen Geschlechtern zu bezeugen, wie vergangene Generationen während Jahrtausenden sich oft wie wilde Tiere zerfleischten – bis endlich der Mensch über das Tier in ihm triumphierte.
Daß nur die nationalen Besonderheiten und Interessengegensätze – die hüben und drüben durch die herrschenden Klassen künstlich genährt werden, um gegebenenfalls durch einen großen Krieg einen Abzugskanal für gefährliche Strömungen im Innern zu besitzen – es sind, welche die Kriege hervorrufen, bestätigt eine Äußerung des verstorbenen Generalfeldmarschalls Moltke . Im ersten Bande seines Nachlasses, der den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 behandelt, heißt es unter anderem in den einleitenden Bemerkungen:
"Solange die Nationen ein gesondertes Dasein führen, wird es Streitigkeiten geben, welche nur mit den Waffen geschlichtet werden können, aber im Interesse der Menschheit ist zu hoffen, daß die Kriege seltener werden, wie sie furchtbarer geworden sind."
Nun, dieses nationale Sonderdasein, das heißt die feindselige Absperrung der einen Nation gegen die andere, schwindet trotz aller gegenteiligen Bemühungen, sie aufrechtzuerhalten, immer mehr, und so werden künftige Generationen ohne Mühe auch Aufgaben verwirklichen, an die geniale Köpfe längst gedacht und Versuche zur Lösung machten, ohne zum Ziele gelangen zu können. So hatte schon Condorcet die Idee, eine allgemeine Weltsprache ins Leben zu rufen. Und der verstorbene ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten Ulysses Grant äußerte in einer Ansprache: "Da Handel, Unterricht und die schnelle Beförderung von Gedanken und Materien durch Telegraphen und Dampf alles verändert haben, so glaube ich, daß Gott die Welt vorbereitet, eine Nation zu werden, eine Sprache zu sprechen, zu einem Zustand der Vollendung zu gelangen, in welchem Heere und Kriegsflotten nicht mehr nötig sind ." Natürlich muß bei einem Vollblutyankee der liebe Gott die ausgleichende Rolle spielen, die einzig ein Produkt geschichtlicher Entwicklung ist. Man darf sich darüber nicht wundern. Heuchelei oder auch Borniertheit in Fragen der Religion ist nirgends größer als in den Vereinigten Staaten. Je weniger die Staatsgewalt durch ihre Organisation die Massen leitet, um so mehr muß es die Religion, die Kirche tun. Daher scheint überall die Bourgeoisie dort am frömmsten, wo die Staatsgewalt am laxesten ist. Neben den Vereinigten Staaten in England, Belgien, der Schweiz. Auch der Revolutionär Robespierre, der mit den Köpfen von Aristokraten und Geistlichen wie mit Kegelkugeln spielte, war bekanntlich sehr religiös, weshalb er feierlich das höchste Wesen wieder einsetzen ließ, das kurz zuvor – ebenso geschmacklos – der Konvent für abgesetzt erklärt hatte. Und da vor der großen Revolution die leichtfertigen und liederlichen Aristokraten Frankreichs sich vielfach mit ihrem Atheismus brüsteten, sah Robespierre denselben als aristokratisch an und denunzierte ihn vor dem Konvent in seiner Rede über das höchste Wesen mit den Worten: " Der Atheismus ist aristokratisch . Die Idee eines höchsten Wesens, das über der unterdrückten Unschuld wacht und das triumphierende Verbrechen straft, ist ganz volkstümlich. Wäre kein Gott, so müßte man einen solchen erfinden. " Der tugendhafte Robespierre ahnte, daß seine tugendhafte bürgerliche Republik die sozialen Gegensätze nicht ausgleichen konnte, darum der Glaube an ein höchstes Wesen, das Vergeltung übt und auszugleichen trachtet, was in seiner Zeit die Menschen noch nicht ausgleichen konnten, daher war dieser Glaube für die erste Republik eine Notwendigkeit.
Diese Zeit geht vorüber. Ein Kulturfortschritt wird den anderen hervorrufen, die Menschheit wird sich immer neue Aufgaben stellen und wird sie zu einer Kulturentwicklung führen, die Nationalitätenhaß, Kriege, Religionsstreit und ähnliche Rückständigkeiten nicht mehr kennt.
Dreißigstes Kapitel - Bevölkerungsfrage und Sozialismus
1. Furcht vor Übervölkerung
Es gibt Leute, welche die Bevölkerungsfrage als die wichtigste und brennendste aller Fragen ansehen, weil eine "Übervölkerung" drohe,
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