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Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: August Bebel
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dazu bei, ihnen Geschmack für Einfachheit und Sorgfalt für äußerlichen Anstand beizubringen, und hatte, nach den Anschauungen jener Zeit, durchaus nichts die Schamhaftigkeit Verletzendes oder die Wollust Erregendes. Auch nahmen die Mädchen gleich den Knaben an allen körperlichen Übungen teil. So wurde ein kräftiges, selbstbewußtes Geschlecht erzogen, das sich seines Wertes bewußt war, wie die Antwort der Frau des Leonidas an die Fremde beweist.
     
4. Überreste des Mutterrechts in Sitten verschiedener Völker
 
    Im engsten Zusammenhang mit dem geschwundenen Mutterrecht standen gewisse Gebräuche, die moderne Schriftsteller in vollständiger Verkennung ihrer Bedeutung als "Prostitution" bezeichnen. So war es in Babylon religiöse Pflicht der mannbar gewordenen Jungfrau, im Tempel der Mylitta einmal zu erscheinen, um ihre Jungfrauschaft zu opfern, indem sie sich einem Manne preisgab. Ähnliches trug sich zu im Serapeum zu Memphis, zu Ehren der Göttin Anaïtis in Armenien, auf Cypern, in Tyrus und Sydon zu Ehren der Astarte oder Aphrodite. Ähnlichen Sitten dienten die Isisfeste der Ägypter. Dieses Opfer der Jungfräulichkeit sollte der Göttin Sühne leisten für die Ausschließlichkeit der Hingabe an einen Mann in der Ehe. "Denn nicht um in den Armen eines einzelnen zu verwelken, wird das Weib von der Natur mit allen Reizen, über welche es gebietet, ausgestattet. Das Gesetz des Stoffes verwirft alle Beschränkung, haßt alle Fesseln und betrachtet jede Ausschließlichkeit als Versündigung an ihrer Göttlichkeit" . Das fernere Wohlwollen der Göttin mußte durch jenes Opfer der Jungfräulichkeit an einen Fremden erkauft werden. – Im Sinne der alten Auffassung war es auch, wenn die libyschen Mädchen durch ihre Preisgabe ihre Mitgift erwarben. Nach dem Mutterrecht waren sie während des unehelichen Standes geschlechtlich frei, und die Männer fanden in diesem Erwerb so wenig Anstößiges, daß von ihnen diejenige als Frau vorgezogen wurde, die am meisten begehrt worden war. Ähnlich war es zu Herodots Zeit bei den Thrakern: "Die Jungfrauen bewachen sie nicht, sondern lassen ihnen volle Freiheit, sich mit wem sie mögen zu vermischen. Die Frauen dagegen bewachen sie streng; sie kaufen sie von ihren Eltern um großes Gut." Berühmt waren die Hierodulen im Tempel der Aphrodite zu Korinth, in dem über tausend Mädchen vereinigt waren, die einen Hauptanziehungspunkt für die griechische Männerwelt bildeten. Und von der Tochter des Königs Cheops in Ägypten erzählt die Sage, daß sie aus den Erträgnissen der Preisgabe ihrer Reize eine Pyramide bauen ließ.
     
    Ähnliche Zustände bestehen noch heute auf den Mariannen, den Philippinen und polynesischen Inseln, ferner nach Waitz bei verschiedenen afrikanischen Volksstämmen. Eine andere Sitte, die noch spät auf den Balearen bestand und das Recht aller Männer an die Frau zum Ausdruck brachte, war, daß in der Brautnacht die blutsverwandten Männer bei der Braut zugelassen wurden, der Altersreihe nach. Erst zuletzt kam der Bräutigam. Diese Sitte hat sich bei anderen Völkerschaften dahin umgewandelt, daß als die Vertreter der Männer des Stammes Priester oder Stammeshäuptlinge (Könige) dieses Vorrecht bei der Braut üben. So dingen auf Malabar die Caimars Patamaren (Priester), um ihren Frauen die Blüte zu nehmen.... Der oberste Priester (Namburi) ist verpflichtet, dem König (Zamorin) bei seiner Verehelichung diesen Dienst zu erweisen, und der König bezahlt denselben mit fünfzig Goldstücken . In Hinterindien und auf verschiedenen Inseln des Großen Ozeans sind es bald die Priester, bald die Stammeshäuptlinge (Könige), die sich diesem Amte unterziehen . Ähnlich ist es in Senegambien, wo das Stammesoberhaupt die Deflorierung der Jungfrau als Amtspflicht übt und dafür ein Geschenk erhält. Bei anderen Völkern wurde und wird die Deflorierung der Jungfrau, manchmal sogar des wenige Monate alten Kindes weiblichen Geschlechts, durch für diesen Zweck eingerichtete Götzenbilder vorgenommen. Auch darf angenommen werden, daß das jus primae noctis (das Recht der ersten Nacht), das bis ins späte Mittelalter bei uns in Deutschland und in Europa in Anwendung war, der gleichen Tradition seine Entstehung verdankt. Der Grundherr, der sich als Gebieter seiner Hörigen oder Leibeigenen ansah, übte das auf ihn überkommene Recht des Stammesoberhauptes aus. Später mehr hierüber.
     
    Anklänge an das Mutterrecht zeigen sich ferner in der eigentümlichen

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