DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
Vorliebe für Polymere. Diese gegen Ende des 18. Jahrhunderts entdeckten Makromoleküle werden für die Herstellung von Kunststoffen gebraucht. Elena weiß, dass diese kleinen Dinger beim Aufbau einer modernen Industrie unvermeidlich eine große Rolle spielen werden.
Also reicht die Genossin Elena Ceauşescu 1975 eine Doktorarbeit ein mit dem Titel „Die stereospezifische Polymerisation des Isoprens“. Alle Welt erwartet mit Spannung die mündliche Prüfung zur Verteidigung der Doktorarbeit, um zu sehen, wie die Genossin sich schlägt. Doch die Neugierigen harren vergeblich, als Elena sich zum Disput mit ihren Doktorvätern einfindet. Sie werden nicht eingelassen. Ein Aushang an der Tür des Instituts klärt die Wartenden auf, dass besagte mündliche Prüfung bereits am Vortag stattfand. Erst später sickert durch, dass die Doktorarbeit von Christopher Simionescu, einem bekannten Professor der Universität Iasi, wegen mangelhafter Ausführung abgelehnt wurde. Ein weniger kleinlicher Kollege aus Timişoara, Coriolan Dragulescu, nimmt sie jedoch an und lobt die Arbeit auch gleich als Geniestreich, wie es bei der Autorin ja nicht anders zu erwarten gewesen sei. Professor Simionescu verlor seinen Lehrstuhl, erhielt Publikationsverbot und wurde aus den Annalen der Wissenschaft gestrichen. Professor Dragulescu hingegen fand rühmenden Eingang in selbige und wurde Rektor seiner Universität.
Das Vergnügen, Elena bei der Verteidigung ihrer Doktorarbeit lauschen zu dürfen, ward den Hörern zwar nicht zuteil, Studenten und Professoren der Universität kamen aber dennoch in den Genuss ihrer Ausführungen. Sie waren von ihrem Fachwissen so überzeugt, dass sie den Titel ihrer Dissertation verballhornten. „Mere“ bedeutet im Rumänischen Apfel. Und so ließ man seiner Lust am Sprachspiel freien Lauf und redete fortan nur noch von ihren fundierten Kenntnissen der „Polymere und Polypere“, der „Poly-Äpfel und Poly-Birnen“.
Und tatsächlich trägt die Doktorarbeit auch schon bald Früchte: Elena wird 1975 zur Präsidentin des Nationalrates für sozialistische Kultur und Erziehung ernannt. Birnenkönigin und Kultusministerin – die Florina von einst ist vergessen. Der erste Schritt ist getan. Doch zur Ikone macht sie dies ja immer noch nicht. Denn intellektuelle Anerkennung oder politische Macht genügt ihr nicht mehr. Sie will ein Vorbild für alle sein. Die perfekte Rumänin eben, geachtet, geliebt, beneidet. Sie will nach den höchsten Auszeichnungen greifen.
Die weiße Taube
Elenas Aufstieg begann im Juni 1971. Bis dahin hatte sich das Paar als solches noch nicht in Szene gesetzt. Da war auf der einen Seite Nicolae, der patriotische Führer, der aus Rumänien ein prosperierendes, unabhängiges Land gemacht hatte. Auf der anderen Seite finden wir Elena, Ikone des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts. Doch von ihren Titeln einmal abgesehen, spielt sie keine wirklich bedeutsame Rolle. Sie flankiert ihren Ehemann, um dessen Bild abzurunden. Das aber soll nun ein Ende haben.
Am 2. Juni 1971 begibt sich das Paar auf eine lange Reise. Man will Asien besuchen, zuerst die Weltmacht China, dann Nordkorea. In Peking werden die beiden von Mao und seiner Frau empfangen, der zweifelhaften Jiang Qing. Diese Begegnung kommt für den rumänischen Führer und seine Frau einer Erleuchtungserfahrung gleich. Für die Ceauşescus ist die Reise eine politische Offenbarung.
Während des offiziellen Staatsbesuches lauschen die beiden aufmerksam den Worten des Großen Steuermannes und zeigen sich beeindruckt von der Verehrung, mit der ihm das Volk im Rahmen des Mao-Kultes huldigt.
Seit Nicolae an die Macht gekommen ist, bemüht er sich immer wieder darum, die Unabhängigkeit Rumäniens von seinem sowjetischen „Beschützer“ zu demonstrieren. Dementsprechend hat die Sowjetunion der Sozialistischen Republik Rumänien auch die Anerkennung als Staat verweigert. Die Ceauşescus suchen also nach einem anderen Weg, den modernen Sozialismus in Rumänien zu verankern. Nicolae wendet sich Mao und seiner ehrgeizigen Politik zu.
Elena hingegen erhält eine praktische Einweisung in die Macht, die mit dem Status als Ehefrau eines kommunistischen Staatslenkers verbunden ist. Jiang Qing klärt sie über die Rolle auf, welche sie in der Volksrepublik China spielt: Sie inszeniert meisterlich die politische Propaganda, sie weiß ihr Bild stets ins rechte Licht zu setzen.
In den folgenden Tagen wird das Paar in allen Zeitungen Chinas
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