DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
Gesellschaft erstrecken – ein Werk zu vier Händen gleichsam. Jeder übernimmt einen Bereich, in dem er sich besonders hervortun will: Nicolae müht sich, Rumänien auf dem internationalen Parkett Geltung zu verschaffen, Elena strebt nach intellektuellen Lorbeeren.
Die ersten Handlungen Ceauşescus als Parteivorsitzender sollen die Unabhängigkeit Rumäniens von der Sowjetunion unterstreichen, was im Westen natürlich mit Wohlwollen aufgenommen wird. Er verurteilt die sowjetische Schwesterpartei, die 1968 ihre Panzer losschickt, um den Prager Frühling zu beenden. Ceauşescu bezeichnet dies als „schweren Fehler“. Den einmal eingeschlagenen Kurs behält er bei. Er bemüht sich um Unterstützung in Titos Jugoslawien und sucht eine Annäherung an die zweite kommunistische Weltmacht, Mao Zedongs China. Die harmlose Marionette, als die Ceauşescu nach seiner Haftentlassung erschien, erwirbt sich auf diese Weise in kürzester Zeit einen Ruf als Vermittler zwischen Ost und West. Er tritt als verantwortungsbewusster und respektabler Führer seines Landes auf, und so gehört es auf diplomatischem Parkett bald zum guten Ton, Beziehungen zu Rumänien zu pflegen.
Neben dem „Genie der Karpaten“ thront Elena Ceauşescu. Während Nicolae eine Brücke nach Europa schlägt, strickt sie an ihrer Karriere als „Wissenschaftlerin von Weltruhm“. Zunächst einmal gilt es, alle Spuren Florinas zu tilgen, des frechen, ungebildeten Frauenzimmers, das sie einst war. Gerüchte, die junge Arbeiterin aus der Provinz habe als Prostituierte gearbeitet, können am guten Ruf einer renommierten Akademikerin nicht kratzen. Jetzt muss sie nur noch ein Fachgebiet wählen, in dem sie glänzen kann. Da sie in ihrer Jugend ein paar Laborerfahrungen gesammelt hat, benutzt sie diese rudimentären Kenntnisse als Steigbügel, um sich ins Zentrum der Macht zu hieven.
Alle diesbezüglichen Unterlagen verschwinden allerdings schon in den ersten Regierungsjahren ihres Gatten, denn 1967 übernimmt sie ihre erste verantwortungsvolle Position als Wissenschaftlerin: Sie wird Leiterin der Sektion Chemie des Obersten Rates für Wirtschaft und Entwicklung Rumäniens. Von nun an wird sie unermüdlich Titeln hinterherjagen, die immer obskurer werden: Mitglied des städtischen Komitees von Bukarest der Kommunistischen Partei Rumäniens, Präsidentin des Nationalen Rates für Wissenschaft und Technik, den ihr Mann eigens für sie ins Leben rief, und so weiter und so fort. Welche Funktionen sie ausübt, ist ihr egal: Hauptsache, ein Titel!
Nun könnte man dies einfach als lächerlichen Geltungsdrang werten, verbärge sich dahinter nicht eine bittere Wahrheit: Denn Elena bestimmt mittlerweile autokratisch, in welche Projekte die Mittel des rumänischen Staates zur Förderung von Wissenschaft und Industrie fließen. Sie entscheidet, wer Geld bekommt und wer nicht. Stipendien vergibt sie persönlich. In ihrer Hand liegt das Lebenswerk der Forscher. Genossin Elena wird bald zur Lachnummer im Kreis ihrer „Wissenschaftlerkollegen“, ist sie doch unbeleckt von jeglichem Fachwissen. Die Chemiker, die ihre Vorträge schreiben müssen, bauen da und dort völligen Unsinn ein, um zu zeigen, dass sie nicht die leiseste Ahnung hat, wovon sie eigentlich redet. Nicht selten jubeln sie ihr sogar Fantasieformeln unter. In Bukarest zirkuliert ein Witz über sie: Wie spricht die Genossin Elena CO2, die chemische Bezeichnung für Kohlendioxid, aus? „Co-doï“! Was auf Rumänisch schlicht „Schwanz“ [10] bedeutet. Doch solche Spötteleien können Elena nichts anhaben oder gar ihrer politischen Karriere schaden. Als sie 1973 Regierungsmitglied wird, kann sie stolz eine ganze Reihe von Diplomen vorweisen.
Nun darf sie endlich an allen Versammlungen teilnehmen, und zwar nicht mehr nur als Frau des Staatsoberhauptes, sondern als „Wissenschaftlerin von Weltrang“.
Aber damit ist es für die ehrgeizige Elena immer noch nicht getan. Sie besteht darauf, dass hochrangige Wissenschaftler sie als ihresgleichen behandeln. Doch sie weiß, dass sie dazu erst den Gipfel ihrer „universitären“ Karriere erklimmen muss.
Also fasst sie eine Ernennung zur Professorin ins Auge. Dummerweise geht dies auch in Rumänien nicht ohne Doktortitel. Forschungsarbeiten aber, die Jahre der hingebungsvollen, akribischen Suche voraussetzen, kann Elena natürlich nicht vorweisen. Ein Thema allerdings wüsste sie schon. Seit sie in der Textilindustrie gearbeitet hat, hegt sie eine merkwürdige
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