DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
Empfängnis. Einzig nach Vergewaltigungen oder in Fällen von Inzest sind Abtreibungen gestattet. Dieses Gesetz macht von Anfang an klar, welche Haltung das Ceauşescu-Regime in puncto Freiheit der Frau einnehmen wird. Es gehört zu den repressivsten in Europa und lässt sich wohl vergleichen mit Maos China oder dem Deutschland der Nazizeit. Dabei waren es die Kommunisten, die 1957 den Abtreibungsparagrafen liberalisiert hatten.
Aber diese unmoralischen Frauenzimmer treiben weiterhin ab. Anfang der Achtzigerjahre erstreckt sich die Kontrolle Ceauşescus bis in den Körper der Frau: Die Rumäninnen werden verpflichtet, regelmäßig den Gynäkologen zu konsultieren, der verpflichtet ist nachzuprüfen, ob sie illegale Abtreibungen haben durchführen lassen. Diese gynäkologischen Untersuchungen finden einmal pro Monat am Arbeitsplatz statt.
Die Regierung hat den Rumäninnen ein neues Lebensziel gegeben und dabei die Latte ziemlich hoch gelegt: Jede Frau soll dem Vaterland vier bis fünf Kinder gebären.
„Wie viele Kinder haben Sie, Genosse?“, fragt Elena einen jungen Politiker im Beisein General Ion Pacepas.
„Eins, Genossin Elena“, antwortet er.
„Da kann unsere Bevölkerung ja nicht wachsen. Sie müssen der Partei wenigstens vier neue Soldaten schenken, werter Genosse. Erhöhen Sie Ihre geschätzten Zahlen noch einmal um 10 bis 15 Prozent, General. 1984 soll Rumänien dreißig Millionen Einwohner haben. Darüber werde ich persönlich wachen.“
Gesagt, getan. Von nun an bekommen die rumänischen Mädchen von ihren Lehrern immer wieder gesagt: „Hört nicht auf eure rückständigen Eltern. Gebt euch der Liebe hin, und wenn ihr schwanger werdet, umso besser. Dann habt ihr eurem Vaterland einen großen Dienst erwiesen. Wenn das geschieht, sagt euren Eltern nichts davon. Haltet die Schwangerschaft geheim. Vertraut euch mir an. Ich werde euch sagen, was ihr mit dem Kind anstellen sollt, sobald es auf der Welt ist: Der Staat wird sich seiner annehmen.“ [13] Die staatlichen Waisenhäuser waren bald überfüllt.
Unter Nicolae hat kein Rumäne mehr das Recht, Single zu bleiben. Jeder, der über fünfundzwanzig Jahre alt und alleinstehend ist, zahlt eine Sondersteuer. Das Gleiche gilt für kinderlose Paare. Auf dieser Stufe ist die Frau zur wandelnden Gebärmaschine geworden, deren einzige Aufgabe es ist, zum Bevölkerungswachstum beizutragen. Frauen, die sich weigern, werden zu Gesetzlosen erklärt, was gravierende Folgen hat: zwischen fünf und zehn Jahren Zuchthaus [14] .
Im Falle einer ungewollten Schwangerschaft ist kein Arzt mehr bereit, eine Abtreibung vorzunehmen. Tut er es doch und wird angezeigt, wird er aufs Schwerste bestraft. Also muss es wieder schnell und heimlich gehen, auf dem Küchentisch. Für die Verzweifelten bleibt die Stricknadel oder das Gebräu der „Dorfhexe“, das nicht selten hochgradig giftig und daher riskant in der Anwendung ist. Wer diese Behandlung überlebt, den trifft ein weiteres Verdikt: Einer Frau, die abgetrieben hat, ist jeder medizinische Beistand zu verweigern, bevor sie nicht all ihre Helfershelfer genannt hat.
Die Frauen, die so der Selbstbestimmung über ihren Körper beraubt werden, machen für die neuen medizinischen Bestimmungen ihr Rollenmodell, Elena, verantwortlich. Warum setzt sie sich nicht für sie ein? Sie ist doch die Schirmherrin der wissenschaftlichen Forschung und der Gesundheitsvorsorge! Die neue Gesetzeslage kann nur auf sie zurückgehen. In der öffentlichen Meinung ist sie die Schuldige. Die Verbitterung der Rumäninnen drückt sich in einem bösen Witz aus, der zu jener Zeit in Bukarest kursiert, einer Zeit, in der eine neue Krankheit aufkommt: AIDS. Den Rumäninnen zufolge ist dies die Abkürzung für „Akademikerin, Ingenieurin, Doktorin, Sachverständige“ – lauter Titel, mit denen sich Elena gerne schmückt. Diese Form von Galgenhumor zeigt, was die Bevölkerung tatsächlich über die heilige Elena denkt.
Doch ihre Ohren bleiben taub gegenüber den Klagen ihrer Landsmänninnen. Und Nicolae wird nicht müde herunterzubeten, dass „die rumänische Verfassung Frauen und Männern in allen Bereichen gleiche Rechte garantiert, dass sie aktiv am Staatsgeschehen sowie am politischen und sozialen Leben teilnehmen können“. Auf Briefmarken, in Zeitschriften und auf von staatlicher Seite in Auftrag gegebenen Gemälden wird die Frau als Galionsfigur des rumänischen Kommunismus dargestellt. Aber natürlich keine x-beliebige Frau, sondern die
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