DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
faschistischer Verband, gewinnt an Einfluss. Der Prozess gegen die Kommunistin Ana Pauker und ihre Verurteilung zu zehn Jahren Gefängnis ist der Auftakt zu einer wahren Verhaftungswelle. Die Kommunisten gehen in den Untergrund.
Lenuţa schließt sich 1937 den Dissidenten an. Angeblich ist sie an subversiven Aktionen beteiligt, obwohl es dafür bis heute keine Beweise gibt. Das könnte zum einen daran liegen, dass sie einen Decknamen verwendet: Florina [7] . Möglicherweise ist diese „subversive“ Vergangenheit aber auch schlicht ein Produkt von Lenuţas Fantasie. Denn sie strickt gerne am Mythos, wenn es darum geht, die Schicksalhaftigkeit ihres Werdegangs zu untermauern. Lenuţa begreift schnell, dass es zu wenig ist, nur sein Leben zu leben. Vielmehr muss man dieses Leben seinen Ansprüchen entsprechend formen. Und so entwirft sie für sich ein Leben als Galionsfigur des Sozialismus. Sie will die neue Ana Pauker sein!
1. Mai 1939. König Carol II. will den Tag der Arbeit nützen, um die Sympathien der Arbeiter zu gewinnen. Er organisiert eine große Parade. Lenuţa begleitet ihren Bruder Martin, der daran teilnehmen will. Für den König jedoch ist die Parade ein strategischer Fehler, da die Arbeiter den Aufzug umfunktionieren und gegen die königliche Tyrannei protestieren. Und wer marschiert vorneweg? Lenuţa, die aus Leibeskräften schreit: „Brot und Gerechtigkeit!“ [8]
Plötzlich fällt ihr Blick auf einen jungen Mann in der Menge, der sie begeistert anstrahlt. Ihre offensichtliche Leidenschaft erregt sein Wohlgefallen. Nicolae Ceauşescu steht vor ihr. Er ist vor einigen Monaten aus dem Doftana-Gefängnis entlassen worden und lebt seitdem im Untergrund. Doch er will die Demonstration nicht versäumen, obwohl es von Geheimpolizisten nur so wimmelt.
Die offizielle Geschichtsschreibung will es, dass Nicolae bereits damals aufgrund seiner politischen Aktivitäten inhaftiert war. Doch es scheint eher so zu sein, dass der Schuhmacherlehrling aus Bukarest wegen ganz gewöhnlicher Gesetzesverstöße einsaß. Vermutlich hat er erst in Doftana kommunistische Häftlinge kennengelernt und sich ihnen angeschlossen. Aber wie bei so vielen Menschen am Rande der Gesellschaft war auch sein Interesse an der Revolution in erster Linie durch Arbeitslosigkeit und Armut bedingt. Er wurde am 26. Januar 1918 in derselben Gegend der Walachei geboren wie Lenuţa. Im Alter von zehn Jahren geht er nach Bukarest, um dort Arbeit zu finden. 1939, als der Krieg ausbricht, ist er einfach nur ein junger Mann, der keine Ahnung von dem Schicksal hat, das ihn erwartet.
Als er Lenuţa im Frühjahr 1939 kennenlernt, begreift er schnell, dass er mit ihr das Unstete des Rebellentums teilt, ja dass auch sie die Weltordnung umstoßen will. Die beiden „Waisenkinder“, die das Leben bisher nur herumgeschubst hat, beschließen, sich zusammenzutun, um gemeinsam den künftigen Stürmen zu trotzen.
Der Beginn des Idylls ist vor allem von Unsicherheit geprägt. Nicolae wird gesucht. Sie müssen häufig umziehen, falsche Spuren für die Polizeispitzel legen. Sie können keinem Menschen wirklich vertrauen. Im Herbst wird er in Abwesenheit zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Er stellt sich nicht. Das Paar ist immer noch auf der Flucht. Im Juni 1940 werden sie von den Schergen Marschall Antonescus gefasst. Nicolae verbringt den Krieg im Gefängnis von Târgu Jiu. Dort allerdings macht er die Bekanntschaft eines Mannes, der für immer sein Leben verändern wird. Gheorghe Gheorghiu-Dej, ehemaliger Eisenbahner, ist Chef der „Gefängnisfraktion“. Nicolae entwickelt sich zum Protegé jenes Führers, der ebenso gefürchtet wie respektiert wird. Als die Sowjetarmee 1944 in Rumänien einmarschiert und dem Land eine neue Verfassung aufzwingt, ist Gheorghiu-Dej bereits aus dem Gefängnis geflohen. Doch er hat seinen jungen Genossen nicht vergessen. Gheorghiu-Dej steht dem neuen Sowjetregime nahe und wird der starke Mann Rumäniens. Nicolae steigt zum Sekretär der Union der Jungen Kommunisten auf, ohne je auch nur eine Versammlung geleitet zu haben.
Die vier Jahre, die er im Gefängnis verbracht hat, haben Nicolaes Erinnerung an die junge Lenuţa nicht auslöschen können, war sie es doch, die mit ihm das Jahr seiner Flucht und Verfolgung geteilt hat. Er muss sie wiederfinden. In diesen vier Jahren hat sie sich den Ruf eines leichten Mädchens erworben, doch das ist ihm egal. Das Band, das sie beide verbindet, soll auf keinen Fall mehr
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