DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
zehn Tage lang ziehen. Dabei schüttle man die Flasche täglich, damit die Aromen sich gut durchmischen. Am zehnten Tag kaufe man einen schönen weißen Weintraubenstängel, reif und mit großen Weinbeeren. Man entferne die Kerne und erhitze die Beeren in einer Kasserolle über schwachem Feuer. Dabei rührt man stets vorsichtig um, damit die Weinbeeren nicht verletzt werden. Am Ende platzen sie von selbst auf. Dann seiht man das Ganze ab und sammelt den Saft. Abkühlen lassen.
Für einen halben Liter Aufguss gießt man einen halben Liter Saft über die Würzmischung. Dann ist der Ratafia fast schon fertig, aber noch nicht ganz. Nach einem Monat gießt man das Getränk durch einen Filter und zuckert es nach Geschmack. Je länger man wartet, desto feiner wird der Geschmack! Jedes Glas verlängert das Leben um einen vollen Tag. Und so wünsche ich auch Euch, dass Ihr hundert Jahre alt werdet!
Ganz die Ihre, Carmen G.
Wie kann man sich diese verführerische Wirkung auf die gebildeten und unabhängigen Frauen im Europa des 20. Jahrhunderts erklären? Natürlich gibt der Diktator sich hier lammfromm und frisst Kreide wie jeder echte Wolf. Er gibt sich als mächtiger und charmanter Redner, der neben einem gepflegten Erscheinungsbild auch noch Kraft und Sicherheit ausstrahlt. Für Adolf wie für Benito wäre es undenkbar gewesen, sich je unfrisiert oder unrasiert in der Öffentlichkeit zu zeigen. Doch es hieße die Intelligenz der Frauen zu beleidigen, wollte man ihr politisches Votum allein mit dem geschniegelten Äußeren Hitlers und Mussolinis begründen.
Denn ein Diktator weiß sehr wohl, dass er auf dem Weg zur Macht vor allem die Frauenherzen gewinnen muss. Er wird nicht an die Spitze gelangen, wenn er nicht die Frauen für seine Sache gewinnen kann. Hitler und Mussolini stützten sich auf Frauen, um an die Macht zu gelangen und sie zu bewahren.
Vertreterinnen des horizontalen Gewerbes oder des intellektuellen Großbürgertums, flüchtige Leidenschaft oder leidenschaftliche Liebe, in jeder Diktatorenbiografie spielen Frauengestalten eine zentrale Rolle. Ob als Verehrer oder als Vergewaltiger, immer kehren diese Männer in den weiblichen Schoß zurück.
Diese Frauen heißen Magda, Clara, Nadia, Elena … Sie sind Gemahlinnen, Gefährtinnen, Ratgeberinnen, Bewunderinnen – allen gemeinsam ist, dass sie führten, ohne je offiziell in Erscheinung zu treten. Manchmal regieren diese weiblichen Pygmalions sogar mit, sie folgen ihrem Eleven bis in den Tod.
Die Männer sind grausam, gewalttätig, tyrannisch und untreu. Und doch werden sie von den Frauen geliebt. Die Frauen aber werden mit zahllosen Rivalinnen betrogen, der Leidenschaft Politik geopfert, ausspioniert, kritisiert, eingesperrt. Und doch bleiben sie. Weil die großen Männer sie faszinieren. Und weil diese sie brauchen.
Die Autorin hat sich in den Kopf gesetzt, die seltsamen Beziehungen dieser Paare vor dem Hintergrund der totalen Machtausübung eingehend zu durchleuchten. Zwischen individuellem Drama und Dialektik der Macht werden wir Männern begegnen, die jeder Selbstkontrolle verlustig gegangen sind, Sklaven ihrer Triebe ebenso wie der Diplomatie. Der besessene Wunsch zu verführen hat ihnen Macht über die Frauen gegeben, doch hat er alle anderen Regungen zum Schweigen gebracht. So wird der Sieger zum Besiegten. Denn wer sich selbst nicht zügeln kann, gewinnt auch keine Macht über andere.
[1]
Henrik Eberle (Hrsg.), Briefe an Hitler. Ein Volk schreibt seinem Führer. Unbekannte Dokumente aus Moskauer Archiven – zum ersten Mal veröffentlicht, Bergisch Gladbach 2007, S. 105.
[2]
Helmut Ulshöfer (Hrsg.), Liebesbriefe an Adolf Hitler – Briefe in den Tod. Unveröffentlichte Dokumente aus der Reichskanzlei, Waldkirchen 32008, S. 43.
[3]
Allan Hall, Hitler’s correspondence revealed: Love letters to a dictator, in: Daily Mail vom 8. Oktober 2007.
[4]
Eberle, Briefe an Hitler, S. 13.
[5]
Eberle, Briefe an Hitler, S. 151f.
[6]
Ulshöfer, Liebesbriefe, S. 19.
[7]
Ulshöfer, Liebesbriefe, S. 58.
[8]
Ulshöfer, Liebesbriefe, S. 37.
[9]
Ulshöfer, Liebesbriefe, S. 68.
[10]
Eberle, Briefe an Hitler, S. 396f.
[11]
Ulshöfer, Liebesbriefe, S. 24.
[12]
Ulshöfer, Liebesbriefe, S. 44f.
[13]
Ulshöfer, Liebesbriefe, S. 52f.
[14]
Charlotte Beradt, Das Dritte Reich des Traumes, Frankfurt a. M. 1981, S. 96f.
[15]
Caro Duce. Lettere di donne italiane a Mussolini, 1922–1943, Rom 1989. Übersetzung durch die Autorin.
1
Benito Mussolini Mussolini
und „La Duce
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