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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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all seiner Nacktheit, seiner Armut so viel Wärme, ja Freude ausstrahlen kann.“
    Der Besuch dieser Fremden ruft unter den Dorfbewohnern Verwunderung hervor. Während die Dörfler ihre Felder bestellen, geht Salazar mit Christine spazieren. Er zeigt ihr, auf seinen Spazierstock gestützt, Weinberge und Gärten. Er liebt die Orchideen von Madeira und die rosaroten Nelken von Estoril. Blüten in blassen, leidenschaftslosen Farbtönen: rosa, blau, weiß. Sie nehmen unter Glyzinien auf einer Terrasse im Kolonialstil Platz.
    „Sie lieben Blumen, Herr Präsident?“
    „Sie schenken mir die einzigen Freuden, die mir noch erlaubt sind“, klagt er melancholisch. Das Libretto des einsamen, schüchternen Mönchs, der sich ganz seiner Arbeit widmet und nur die Freuden des Blumengartens kennt, findet Anklang. „Dies ist der einzige Augenblick, in dem die tiefe Müdigkeit, die man auf seinen Schultern lasten spürt, fühlbar wird.“ Christine ist hingerissen.
    Es wird ihnen zur Gewohnheit, sich abends nebeneinander an den Brunnen zu setzen und über die großen Themen der Zeit zu diskutieren. Doch eine Person merkt wohl, was da vor sich geht: Micas, das junge Mädchen, das Salazar als Kind bei sich aufgenommen hat. Micas ist mittlerweile zur jungen Frau herangewachsen und verfolgt erstaunt die Aufmerksamkeit, die ihr Gönner dieser Fremden zollt. „Sie war die einzige Frau, deretwegen er je den Kopf verloren hat“, würde sie einst schreiben. Und auch bei der jungen Journalistin, die eigentlich nur ihr Buch schreiben wollte, keimen Gefühle auf, die nichts Berufliches haben:
    „Gerade bin ich nach Lissabon zurückgekehrt. Es ist Mitternacht. In meinem überstrapazierten Gedächtnis überlagern sich Straßen und Brücken und Gesichter, die mich am Ende unweigerlich immer wieder bei Salazar landen lassen. Morgen möchte ich meiner Fantasie die Zügel schießen lassen und Ballszenen, Musik und Liebesgeschichten erfinden, ohne mich auf genaue Daten stützen zu müssen, auf Landschaften, die jeder kennt. In meinem Zimmer finde ich einen Strauß stark duftender Rosen. Das Zimmermädchen streckt mir empört eine Visitenkarte hin: ‚Doutor António de Oliveira Salazar‘ steht darauf. Dann verschwindet sie und lässt, um ihre Missbilligung kundzutun, die Tür laut ins Schloss fallen.“
    Die Französin antwortet ihm sogleich: „Wie soll ich Ihnen dafür jemals danken? Danken für die Rosen, die mich tief bewegt haben – das sind wirklich die schönsten Rosen der Welt! … Danken dafür, dass Sie in dieser Weise an mich gedacht haben.“
    Christine kommt am Ende des Tages zu ihm, um mit ihm die Arbeit am Buch fortzusetzen. Vielleicht inspiriert sie ja die abendliche Stimmung? Sie steigt zu seinem Arbeitszimmer hinauf, wo auch die Privatzimmer liegen. Dann schließt Salazar sorgsam Türen und Fensterläden. Micas stirbt fast vor Neugier und sicher auch vor Eifersucht. Sie versteckt sich in dem für Christine reservierten Zimmer, das nur durch dünne Wände vom Arbeitszimmer getrennt ist, um dort jede verdächtige Bewegung zu belauschen. „Ich sah nichts. Alles war fest verrammelt, was sonst nie der Fall war.“ Außerdem bekam die Einbildungskraft der jungen Dame von einer anderen Seite Nahrung: der Haushälterin. Maria de Jesus stieg ständig mit ihren Eimern heißen Wassers die Treppen hinauf ins Badezimmer. Die Franzosen sollen damals ja eine Abneigung gegen Wasser und körperliche Hygiene gehabt haben. Salazar hoffte offensichtlich, Christine zu einem Bad bewegen zu können. Und so schilderte die Haushälterin Micas eines Tages ein recht prosaisches Detail: „Sie erzählte mir, Salazar habe sich beschwert, weil Christine nie badete, sondern sich immer nur mit Creme einschmierte.“
    Maria de Jesus war Salazar sehr ergeben. Sie tat einfach alles für ihn, auch wenn es ihr gegen den Strich ging. Sie kochte für seine Geliebten und machte sogar hübsche Tischdekorationen, wenn er sie eingeladen hatte. Dieses fromme Weiblein, das sehr diskret war und nur einen Mann wirklich liebte, nämlich ihren Herrn, schluckte jede Anwandlung von Stolz hinunter, wenn es darum ging, die Wünsche des „Doutor“ zu erfüllen. Solange es ihm gut ging, war alles in Ordnung.
    So verbringt Christine also den Sommer zwischen Santa Comba Dão und Lissabon. In der Stadt, wo Salazar regiert, lernt sie dann seinen Alltag kennen und mit ihm das Dekor der Macht. „Salazar hatte mich für sieben Uhr bestellt, aber ich kam etwa zehn Minuten zu

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