DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
mit Felismina, bleiben die beiden einfach stumm sitzen und sehen sich an. Sie ist hingerissen von seinen Augen: „Alles, was ich von diesem mir unbekannten Gesicht im Moment wahrnehme, sind die Augen. Ganz schwarze, dreieckige, lebhafte Augen.“ In der Stille des Staunens schlägt der Blitz ein. Sie findet alles an ihm anziehend: „Er hat einen leicht olivfarbenen Teint und graues, glänzendes Haar. Seine Zähne glänzen mineralisch“, schreibt sie.
Christine Garnier ist eine leidenschaftliche Frau, die keine falsche Zurückhaltung kennt und sich nicht an die Codes der politischen Korrektheit hält: „Man hat mir viel von Ihnen erzählt, Herr Präsident“, sagt sie, „und was man mir sagte, war nicht unbedingt angetan, mich zu beruhigen. Für die einen sind Sie ein Heiliger, der sicher auch noch durch den Vatikan anerkannt werden wird. Für die anderen ein Staatschef ohne jede Sensibilität oder Menschlichkeit. […] Die Kargheit Ihres Lebensstils ist sprichwörtlich. Man hat mir sogar geraten, auf Parfum und Nagellack zu verzichten, wenn ich Sie interviewe. Ich habe extra einen schwarzen Hut aufgesetzt, obwohl ich mein Haar normalerweise nicht gern bändige. Und während ich im Wagen zu Ihnen unterwegs war, habe ich mir das Gehirn zermartert, ob mein Rocksaum und meine Ärmel auch nicht zu kurz sind …“ Der Ministerpräsident ist entzückt von so viel Selbstvertrauen, und die zahlreichen Fragen, die die Journalistin folgen lässt, enttäuschen ihn ebenso wenig.
„Man hat mir versichert, dass Ihnen die Gegenwart von Frauen unangenehm ist.“
„Vermutlich waren es die Frauen, die ich nicht vorgelassen habe, die mir diesen Ruf eingetragen haben! Ich habe wirklich nicht die Zeit, allen eine Audienz zu erteilen, die darum nachsuchen: Jede Minute, die ich nicht meiner Arbeit widme, stehle ich doch letztlich dem Staat. Aber glauben Sie mir, ich genieße die Gegenwart von Frauen im Gegenteil sogar sehr!“
„Aber möglicherweise nicht ganz so sehr, wenn es sich um arbeitende Frauen handelt! Ich habe jene Passagen aus Ihren Reden nicht vergessen, in denen Sie die Auffassung vertreten, eine berufstätige Ehefrau vernachlässige ihren Haushalt …“
„Und in diesem Punkt hat sich meine Meinung auch nicht geändert. Eine gute Hausfrau findet immer im Haus etwas zu tun, ob sie nun kocht oder flickt.“
„Glauben Sie denn, Herr Präsident, Sie könnten die Emanzipationsbewegung aufhalten, die immer stärker auch die Portugiesinnen erfasst?“
„Ich bin davon überzeugt, dass eine Frau, die die Sorge um ihren Haushalt im Hinterkopf hat, keine gute Arbeitskraft sein kann. Daher werde ich immer gegen die Unabhängigkeit verheirateter Frauen eintreten.“
Das Fundament ist gelegt. Salazar lädt die schöne Neugierige ein, doch in den Ferien wiederzukommen. Und tatsächlich nimmt er sie mit sich nach Santa Comba Dão, wo sie ihre Recherchen zu Ende führt. Sie nächtigt in der Pension Ambrosia und stattet dem Diktator unter Polizeischutz Tag für Tag ihren Besuch ab.
In Santa Comba Dão erkundet sie das persönliche Universum Antónios. Was sie sich als weitläufiges Familienanwesen vorstellt, ist in Wirklichkeit ein winziges Haus, „wie von einem kleinen Pensionär“. Oder das Häuschen eines Landpfarrers. Hohe Kletterrosen ranken sich an der rosafarbenen Fassade entlang. Die engen Räume sind nur mit dem Nötigsten eingerichtet. Bequem ist es dort nicht gerade. Im ansonsten fast leeren Wohnzimmer schwingt ein Louis-quinze-Tisch elegant die Beine. Für Polstermöbel und Vorhänge hat Salazar einen einfachen Cretonnestoff gewählt. An den beigefarbenen Wänden hängt der Kupferstich eines romantischen Künstlers neben einem Porträt Dantes und einem Ölbild, das Salazar bei einem Besuch bei Benediktinerinnen darstellt. Keine Bibliothek. Fast keine Bücher. Keine einzige Fotografie. „Dies also ist das Refugium jenes Mannes, den man Diktator nennt. In einem dieser fast kahlen Räume wird Salazar seinen letzten Atemzug tun. Ich bin beeindruckt.“
Seine Kammer, sein Heiligtum, sieht nicht viel anders aus. Boden und Bett sind aus hellem Holz. Der Vorhang, der den Blick auf die Felder verdeckt, ist mit rostroten Flecken übersät. Auf der Kommode steht eine Marienstatue aus koloriertem Gips. Die Tür des engen Badezimmers steht offen. Salazar hat auf dem Waschbecken einen schmalen Kamm und eine kleine Bürste vergessen, wie ihn die Internatsschüler haben. „Ich verstehe einfach nicht, wie dieser Ort trotz
Weitere Kostenlose Bücher