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Die Frauen von Bramble House

Die Frauen von Bramble House

Titel: Die Frauen von Bramble House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Cookson
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siebenunddreißig Jahre alt, allerdings würde ihm das keiner glauben, denn seinem Aussehen und Verhalten nach wirkte er bereits wie ein später Vierziger. Er war mittelgroß und breit und wies einen unübersehbaren Bauchansatz auf. Wenn er nicht Abstinenzler gewesen wäre, hätte man diese Wölbung auf übermäßigen Alkohol zurückführen können; in seinem Fall jedoch war Freßsucht die Ursache. Und wahrscheinlich aß er deshalb so gierig und viel, um sich einen Ausgleich zu verschaffen, einen Schutzpanzer gegen sein unglückliches Leben in diesem »Weiberhaus.« Davon ganz abgesehen, hegte er einen Groll gegen das Leben schlechthin, denn es hatte ihn betrogen und in die falsche Richtung geführt. Es hatte ihm dieses Haus als Verlockung vorgegaukelt, eine soziale Stellung, wie er sie durch seine eigene Arbeit und Strebsamkeit niemals hätte erwerben können; denn er stammte aus der Arbeiterklasse und durfte nie darauf hoffen, je ein derartiges Haus und einen Autohandel wie den der Funnells zu erben, es sei denn durch Heirat … Also? Also hatte er sich als Junior-Verkäufer Lizzie Pollock ins Visier genommen, die – wie er es sah – eines Tages das Ganze besitzen würde. Er war noch keine zwanzig Jahre alt, als er geschickt die Leine auswarf, dann zuckte sein Fisch an der Rute, und er brannte damit durch. Was hätte ihre Mutter schon dagegen tun können, oder auch die Großmutter? Nun, er sollte ziemlich rasch begreifen lernen, wozu die Großmutter fähig war.
    Er war noch keine einundzwanzig, als ihm die Augen geöffnet wurden für die wahren Verhältnisse im Haus und er erkennen mußte, daß Emma Funnell ihn fast ebenso verabscheute wie er sie. Aber er gab sich noch nicht geschlagen. Nach der Geburt seiner Tochter glaubte er, einen Dreh gefunden zu haben, denn es ergab sich, daß die »alte Hexe« (wie er sie nannte) die Kleine an sich riß, als wäre sie selber ihre Mutter.
    Aber im Verlauf der Zeit mußte er noch die Lektion hinzulernen, daß sich nichts verändert hatte und daß seine einzige Hoffnung darin bestand, daß Emma Funnell sich möglichst bald aus dem irdischen Dasein verabschieden möge. Inzwischen war sie vierundsiebzig und sie tat ihm noch immer nicht den Gefallen, denn sie war weitaus vitaler und wachsamer als ihre Tochter oder gar ihre Enkelin. Sein eheliches Weib hielt er für eine rückgratlose Person.
    Und diese stand in eben diesem Augenblick vor ihm und blickte ihn über seinen Schreibtisch hin an. Und er nahm sie in der üblichen Weise zur Kenntnis. »Was gibt’s denn schon wieder? Ich habe zu arbeiten. Mein Tag endet nämlich nicht um fünf, weißt du.«
    Lizzie schwieg. Aber sie blickte weiter starr in dieses Gesicht hinab, das ihr mehr und mehr zuwider geworden war. Über dem breiten Körper war dieses Gesicht schmal, fast hager, das Kinn beinahe spitz. Seine Haare waren sandfarben und von so störrischer Struktur, daß sie sich nicht glattkämmen ließen. Sie sträubten sich am Hinterkopf und manchmal auch über den Ohren, so sehr er sie auch zu glätten versuchte. Ihr war ziemlich bald klargeworden, weshalb Leonard sie geheiratet hatte, und insgeheim hatte sie sich diebisch darauf gefreut, daß sein Plan schiefgegangen war, und sie freute sich noch immer darüber, daß seine jetzige Position nicht die eines allmächtigen Direktors war, wie er es sich erwartet hatte. Er war noch immer in der Abteilung Präsentation und Verkauf tätig, wenn auch mit dem hochgestochenen Titel »Manager«. Die wirklichen Manager des Geschäftes waren jedoch Fred Cartwright und Henry Brooker, sein zweiter Mann.
    Während sie ihm in die kalten ausdruckslosen Augen sah, dachte sie wie schon so oft: Wenn er mich doch nur ein bißchen geliebt hätte, wenn er freundlich zu mir gewesen wäre! Aber in dem Mann war kein Funken Freundlichkeit und Wärme. Und er hatte auch keine wirklichen Freunde, nicht einmal in der Kirchengemeinde oder im Jugendklub. Dessen Leitung hatte er auch nur übernommen, weil sich im dabei die Möglichkeit bot, Macht auszuüben. Sie überlegte sich, ob dieser Mann irgend jemanden liebte, außer sich selbst. Aber warum fragte sie sich dies? Er liebte doch Peggy … genauer, falls er überhaupt für einen Menschen etwas empfand, dann für seine Tochter. Sie schloß die Augen und murmelte in sich hinein: O Gott! Wie soll ich es ihm sagen?
    »Was ist denn mit dir los?«
    »Nichts. Nichts ist mit mir los.« Ihre Stimme war ebenso laut wie die seine. Wenn er schrie, dann brachte auch sie

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