Die Frauen von Bramble House
so was umgehen. Die geht bestimmt zu deiner Mutter und spricht unter vier Augen mit ihr. Also, komm mit. Sonst« – seine Stimme wurde fröhlicher – »schmeißen sie uns hier raus.« Das kurze Lachen war beinahe ein Glucksen. »Stell dir mal vor, in unserm Alter aus dem Park gejagt zu werden. Früher mal, da war das für mich ’ne Ehrensache … mich rausschmeißen zu lassen, meine ich. Ich habe mich hinter den Sträuchern versteckt, bis der olle Mr. Terence mich entdeckt hat, dann zeigte ich mich absichtlich ganz und rannte los. Nicht aus dem Westtor, sondern zum gegenüberliegenden Ausgang.« Er wies mit dem Kopf nach hinten. »Es machte mir einen Riesenspaß, den alten Knacker zum Schreien zu bringen. Laufen konnte der ja nicht mehr, schon lange nicht mehr.«
Peggy Hammond hob den Kopf und schaute den Jungen an, den sie schon ihr ganzes Leben lang kannte: Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, daß er jemals den Parkaufseher geneckt haben sollte, weil er niemals etwas tat, was ihn in Schwierigkeiten bringen konnte. Er war so »solide«, wie ihre Mutter das nannte. Immer wieder sagte sie: »May hat be 1 stimmt nie irgendwelchen Ärger mit ihm, der ist viel zu solide.« Und gelegentlich setzte sie dann noch hinzu, »und langweilig.« Manchmal glaubte Peggy, daß ihre Mutter auf Mrs. Conway eifersüchtig sei. Einmal hatte sie sie als »Tant-8 chen May« bezeichnet, und ihr Vater hatte sie danach zurechtgewiesen.
Dann sagte Charlie: »Der Neue kann laufen, also denke ich, wir zischen besser ab.« Sein breites, ehrliches, glattes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, und ihr schoß der Gedanke durch den Kopf, daß er eher wie ein Mann aussah, nicht wie ein Junge, und als sie aufstand und dann an seiner Seite davonging, wechselte sie das Thema, indem sie auf den Gitarrenkasten zeigte. »Wohin wolltest du denn damit?«
»Eher woher ich damit komme … mit ihr. « Und wieder nahm er den Kasten in die Arme und drückte ihn an sich. »Ich war bei meiner ersten Stunde.«
»Du brauchst doch keinen Unterricht, du kannst doch spielen.«
»Das hat nichts mit Spielen zu tun, das ist bloß Herumzupfen. Das kann jeder. Aber ich will es ganz und richtig lernen. Und er unterrichtet klassische Gitarre, mein Lehrer Mr. Reynolds.« Er lachte jetzt. »Er verabscheut Gruppen. Er nennt sie bloß zimperliche Saitenzupfer, Schrummschrumm-schrumm. Er ist wirklich komisch. Er bringt dich immer zum Lachen, also jedenfalls, bevor er mit der Arbeit beginnt.«
»Also gehst du nicht mehr zu den Singereien der Alten und machst auch in der Schulgruppe nicht mehr mit, weil das ja alles nur Gezimpere und Schrummschrumm ist, ja?«
Jetzt trug’ er den Instrumentenkasten am Griff und ging einfach weiter, und als er ihr keine Antwort gab, murmelte sie: »Ich bin zickig. Aber irgendwie kann ich in letzter Zeit nicht anders. Ich … ich …«
»Aber, Peggy, fang doch nicht an zu weinen. Himmel, heul doch nicht! Hör mal, wir gehen rüber zu Hookers Acker und dann von hinten rein …«
»Nein! Nein, nicht da rüber! « Sie war plötzlich stehengeblieben. Er auch.
»Na gut. Ich habe es ja bloß vorgeschlagen, weil es eine Abkürzung ist. Also gut, bleiben wir auf der Straße und dann können wir ja immer noch hintenrum unten rein.«
Sie gingen nun stumm dahin, und einige Minuten später bogen sie in die Bramble Lane ein, in der kürzlich gegenüber der Friedhofsmauer neue Bungalows gebaut worden waren. Hinter diesen lagen die älteren Häuser. Jedes stand auf einem eigenen Grundstück von etwa 1000 Quadratmetern, und manche waren gegen die Nachbarn durch hohe Zypressenhecken abgeschirmt, die seit dem Bau der Häuser und ihrer Bepflanzung vor achtzehn Jahren sechs, sieben Meter hoch geworden waren.
Das letzte dieser Häuser an dem langen Weg war das, in dem Charlie Conway lebte. Auch hier gab es die Abgrenzung zum Nachbarhaus, in dem Peggy Hammond wohnte. Allerdings war dieses Haus bereits 1913 gebaut worden, als die Bramble Lane noch nicht mehr als ein Feldweg war, und hatte von dem Brombeergestrüpp den Namen übernommen, hieß also Bramble House. Es war viel größer als die höherliegenden anderen Häuser, die neben den Bungalows die eine Straßenseite völlig ausfüllten. Es stand auf einem etwa einen Hektar großen Grundstück, das auf drei Seiten von Zypressen umgeben war. Die nach Osten gerichtete Vorderseite hingegen hatte einen ungehinderten Blick auf die Rinder- und Schafweiden eines Bauernhofes, des einzigen Stücks noch
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