Die Frequenz: Thriller (German Edition)
schwieriges Unternehmen vor sich, in physischer, emotionaler und intellektueller Hinsicht. Sie werden in eine andere Zeit reisen. Allein die Vorstellung übersteigt das rationale Denken. Nichts, was wir tun, kann Sie darauf vorbereiten, nur das, was ich Ihnen eben gesagt habe: Seien Sie positiv, zielstrebig und auf den Augenblick gerichtet, dann haben Sie eine Chance.«
In dieser Sekunde änderte sich etwas in Wilsons Psyche. Er schauderte. Es war unerklärlich, so als habe ihn die harte Realität getroffen und sich fest in ihm verankert. Bartons Worte brannten sich in sein Gedächtnis ein. Positiv, zielstrebig, auf den Augenblick gerichtet.
Zufrieden, dass er zu Wilson durchgedrungen war, zeigte Barton mit ausgestrecktem Arm auf die Landschaft. »Wenn Sie unter Druck stehen, wenn Sie ihn richtig zu spüren bekommen, dann will ich, dass Sie an diesen Ort hier denken.« Er schwieg ein paar Augenblicke. »Hören Sie auf, die Dinge vorhersehen zu wollen. Nehmen Sie alle Fakten in sich auf, aber lassen Sie Ihre Spekulationen über die weitere Entwicklung.« Er schwenkte den Arm. »Dieses Gebirge besteht seit Jahrtausenden. Es entwickelt sich, und doch bleibt es immer gleich. Das ist sehr tröstlich, und daran sollen Sie sich erinnern.«
Sie setzten sich ins Gras.
»Das Gebirge wird es noch geben, wenn wir beide längst tot sind«, fügte Barton hinzu.
Wilson nahm den Anblick in sich auf, die Berggipfel, die Wälder, die Farbe des Himmels, den Lauf des Flusses im Tal. Er versuchte sich vorzustellen, wie die tektonischen Platten unter ihnen sich gegeneinander verschoben. Und dennoch wirkte dieser Ort vollkommen friedlich. So war es mit vielen Dingen im Leben: Da war mehr, als es den Anschein hatte – man musste nur nah genug hinsehen.
Die nächsten fünf Minuten fiel kein Wort. Wilson bemühte sich, die vielen Gedankengänge zu entwirren, die in ihm wucherten. Er würde an diesen Platz zurückdenken, wenn er in Schwierigkeiten steckte, nahm er sich vor. Doch er fühlte eine überwältigende Furcht, die ihm wie ein Stein auf dem Herzen lag.
»Es ist schwer, positiv zu denken, weil ich nicht verstehen kann, wieso gerade ich es bin, der den Auftrag ausführen soll«, sagte Wilson.
»Das ist Ihre Bestimmung.«
»Aber was heißt das, Bestimmung?«
Barton lehnte sich zurück und stützte sich auf die Ellbogen. »Ich will Ihnen etwas erzählen … es hat auch mit den Qumran-Rollen zu tun. Wissen Sie noch, ich habe mal über Flavius Vespasian gesprochen, den römischen Heerführer, der nach der Vernichtung der zwölften Legion nach Judäa geschickt wurde.«
»Natürlich … als die Schriftrollen in den Höhlen versteckt wurden.«
»68 vor Christus, um genau zu sein. Kaiser Nero setzte Vespasian an die Spitze der Offensive, nachdem dieser einmal eingeschlafen war, während der Kaiser eines seiner Gedichte vortrug. Sie sehen, viele glaubten, dass die Rückeroberung Judäas und die Zerstörung Jerusalems eine undurchführbare Aufgabe sei. Die Juden, angeführt von Josephus, hatten ihre Stärke und Gerissenheit bereits unter Beweis gestellt, als sie die zwölfte Legion vernichteten, und viele im Senat befürchteten, dass Judäa Rom die Weltherrschaft streitig machen würde. Außerdem waren die Mauern Jerusalems hoch und ihre Verteidigung stark.«
»Vespasian wurde also zu einem unmöglichen Unternehmen ausgeschickt?«, fragte Wilson.
Barton lächelte. »Vespasian war ein begabter Heerführer, und er sammelte die fünfte und die zehnte Legion um sich und marschierte auf Judäa. Sein Sohn Titus führte die fünfzehnte Legion von Ägypten heran, und sie trafen sich vor den Mauern Jerusalems. Als ihnen klar wurde, dass sie keinen Durchbruch erzielen würden, ohne enorme Verluste oder sogar die Niederlage zu riskieren, verlegte Vespasian sich darauf, das übrige Land nach und nach einzunehmen.«
»Da wurden dann die Schriftrollen versteckt.«
»Richtig. Auf einen direkten Angriff Jerusalems zu verzichten war Vespasians klügster Schachzug. Er konnte dadurch das Meiste von dem erreichen, was er in Judäa wollte, weil sich der Großteil der jüdischen Truppen innerhalb der Stadtmauern befand.«
Barton nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche. »Nach der siebenundvierzigtägigen Belagerung von Jotapata nahm er schließlich Josephus gefangen und schickte sich an, ihn als Geschenk für Nero nach Rom bringen zu lassen.« Bartons Augen funkelten. »Jetzt wird es interessant. Josephus verlangte eine Audienz bei Vespasian, die
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