Die Frequenz: Thriller (German Edition)
dann wird Ihnen nichts passieren.«
Karibisches Meer
130 Seemeilen südlich von San Juan, Puerto Rico
2. Dezember 2012
Ortszeit: 15.23 Uhr
Unternehmen Jesaja – achter Tag
Wilson erinnerte sich, welche Angst er gehabt hatte, als er zum ersten Mal den entschlüsselten Text aus dem Jesaja-Buch sah; ihm war regelrecht schlecht gewesen. Es stand so viel Geschichte hinter dem, was er tat. Barton hatte das Schicksalhafte seiner Reise betont; wenngleich der Gedanke schwer zu akzeptieren war, erkannte Wilson, dass diese Bestimmung real war – das Leben Vespasians war ein Beweis dafür. Wenn er an dessen Aufstieg zum Kaiser dachte, sah er seine Erfolgsaussichten optimistischer.
Plötzlich hörte er ein Zischen.
Er sprang auf und ging zu der Angel, die am Heck ins Wasser hing. Die Spule drehte sich schnell. Der Wasser rings um das Boot war ruhig; ein leichter Wind blies in die Kevlarsegel. In der Ferne ragten Inseln über den Horizont. Wilson zog an der Angel. Die Schnur spannte sich, und ein silbern glänzender Thunfisch sprang aus dem kobaltblauen Wasser. Sein stromlinienförmiger Schwanz peitschte hin und her.
Wilson trug nur Shorts und Sonnenbrille; seine Wunde war ziemlich weit verheilt. Er hatte gut gegessen und wieder etwas zugenommen, nachdem er durch seinen Nachtigall-Befehl Gewicht verloren hatte. Es war heiß, und er verbrachte die Tage mit Angeln und lag in der Sonne, während ein günstiger Wind das Boot stetig nach Osten trieb.
Wilson bekam die Kräfte des Fisches zu spüren, als er ihn mit angespannten Muskeln einzuholen versuchte. Er sprang den Bewegungen der Leine entgegengesetzt auf dem Deck umher und verstand jetzt, warum Barton so gerne fischte. Nach einem guten Kampf zog Wilson den Thunfisch an der Heckwand hoch und an Deck. Er nahm ein Messer und stieß es dem Fisch in den Kopf, wie er es schon viele Male getan hatte. Nummer 23 hatte reichlich Wasser in den Tanks, aber kaum Lebensmittel in der Kajüte. Er war aufs Angeln angewiesen.
Wilson suchte den Horizont ab. Es waren keine Schiffe zu sehen. Dann blickte er auf den Navigationscomputer. Nachdem er den Golf von Mexiko verlassen hatte, war er südlich von Kuba entlanggesegelt und befand sich jetzt bei den Kleinen Antillen – einem Streifen Koralleninseln, die die Bahamas mit Südamerika verbanden.
Das würde sein letzter Blick auf Land sein, bis er die Küste Marokkos erreichte. Zufrieden, dass er unterwegs zum afrikanischen Kontinent war, legte er sich mit dem Kopf auf ein Kissen und beobachtete das Hauptsegel, das sacht im Wind schlug. Der warme Sonnenschein war wie Balsam für Körper und Seele.
Wilson fragte sich, ob Helena ihn wohl in diesem Moment beobachtete. Es war beruhigend gewesen, sie vorbeifliegen zu sehen. Tröstlich. Er überlegte, ob ihre übersinnliche Verbindung nur aus der Nähe funktionierte, aber das war unmöglich zu sagen.
Das Boot glitt ruhig dahin.
Wilsons Gedanken wandten sich Visblat zu. Er hatte in den vergangenen Tagen zahlreiche Theorien über diesen Mann aufgestellt, von denen viele hanebüchen waren; bei keiner ergab sich ein stimmiges Bild. Noch nicht. Eines war jedoch sicher: Visblat wusste, warum Wilson hier war. Er würde ihn erwarten.
War das zweite Portal manipuliert worden? Er hatte keine Möglichkeit, sich zu vergewissern. Aber fürs Erste war der Plan einfach – den Atlantik überqueren, durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer segeln, von dort ins Nildelta einbiegen und nach Süden bis Kairo segeln.
32.
Kalifornien, Amerikanischer Kontinent
Mercury Building, Untergeschoss A5 – Mercury-Labor
17. Mai 2081
Ortszeit: 21.12 Uhr
6 Tage vor dem Transporttest
Der Abend war schon fortgeschritten, als Wilson und Barton im Firmengebäude ankamen. Noch in Wanderkleidung betraten sie das hochgesicherte Transportlabor. Barton sah gut aus; der Tag an der frischen Luft hatte bei ihm Wunder gewirkt.
»Da sind wir«, sagte er.
Wilsons Blick wurde sofort von der großen, durchsichtigen Kugel angezogen, die unter einem Punktstrahler dicht über dem Boden schwebte. Sie war von drei glänzenden Titanringen umgeben, die wie silberne Hula-Hoop-Reifen aussahen und auf komplizierte Weise um die Oberfläche zu kreisen schienen.
»Das ist die Imploder-Kugel«, erklärte Barton. »Oder der Transportbehälter, wie ich es nenne.« Ringsherum standen sechsundfünfzig Laserkanonen – Fünf-Terawatt-Partikelzerstäuber – in unterschiedlichem Winkel montiert, die alle auf die Mitte zeigten.
Der Anblick machte
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