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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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langsam wieder zu schwimmen begonnen, sie lachte mit verlegenem Lachen, als sie das Mißgeschick feststellte: Die Achselnaht hatte nachgegeben, die ganze Schulter und die Brust waren entblößt. Der junge Mann, sehr ausgelassen, sagte zu ihr, sie solle doch in ihren Taschen nachsehen, ob sie nicht Stecknadeln bei sich habe. Indessen waren sie bei den Picochets angekommen, er stieg auf einen Felsen, wie sie es gewohnt waren, um wieder Atem zu schöpfen, bevor sie an Land zurückkehrten. Sie schwamm noch immer um die Klippe herum.
    »Du steigst nicht herauf?«
    »Nein, ich fühle mich hier wohl.«
    Er glaubte, das sei eine Laune von ihr, und ärgerte sich. War das vernünftig? Ihre Kräfte konnten beim Zurückschwimmen versagen, wenn sie sich nicht einen Augenblick ausruhte. Doch sie blieb eigensinnig, antwortete nicht einmal mehr, schwamm mit leisem Geplätscher, bis zum Kinn im Wasser, das das nackte Weiß ihrer Schulter bedeckte und verschwommen und milchig wie das Perlmutt einer Muschelschale hindurchschimmern ließ. Der Felsen war nach dem offenen Meer hin zu einer Art Grotte ausgehöhlt, in der sie früher angesichts des freien Horizontes Robinson gespielt hatten. Auf der anderen Seite, am Strand, hob sich Frau Chanteau schwarz und verloren ab wie ein winziges Insekt.
    »Verdammter Dickkopf, los!« rief schließlich Lazare und stürzte sich wieder ins Meer. »Wenn du Wasser schluckst, laß ich dich ruhig schlucken, Ehrenwort!«
    Langsam schwammen sie wieder zurück. Sie schmollten, sie sprachen nicht mehr miteinander. Als er hörte, wie sie außer Atem geriet, sagte er ihr, sie solle wenigstens auf dem Rücken schwimmen und sich so ausruhen. Sie schien nicht zu verstehen. Der Riß wurde größer; bei der geringsten Bewegung, sich umzudrehen, wäre ihre Brust an die Wasseroberfläche emporgetaucht, gleich dem Blühen der in der Tiefe wachsenden Algen. Jetzt begriff er zweifellos; und da er ihre Erschöpfung bemerkte, da er spürte, daß sie niemals den Strand erreichen würde, schwamm er entschlossen näher, um sie zu stützen. Sie wollte sich wehren, wollte allein weiterschwimmen; dann mußte sie sich ihm überlassen. Sie lag in seinen Armen, und eng aneinandergepreßt, kamen sie an Land.
    Entsetzt war Frau Chanteau herbeigelaufen, während Mathieu heulend bis zum Bauch in den Wellen stand.
    »Mein Gott! Was für eine Unbesonnenheit! Ich sagte es ja, ihr würdet zu weit hinausschwimmen!«
    Pauline war ohnmächtig geworden. Lazare trug sie wie ein Kind auf den Sand; und sie blieb an seiner Brust liegen, war jetzt halb nackt, und sie trieften beide von Salzwasser. Aber es dauerte nicht lange, da seufzte sie und schlug die Augen auf. Als sie den jungen Mann erkannte, brach sie in heftiges Schluchzen aus, erstickte sie ihn fast in einer nervösen Umarmung und drückte ihm aufs Geratewohl einen herzhaften Kuß auf sein Gesicht. Das geschah gleichsam unbewußt, im freien Aufwallen ihrer Liebe, das aus dieser Todesgefahr hervorging.
    »Oh, wie gut du bist, Lazare! Oh, wie lieb ich dich habe!«
    Er war ganz erschüttert vom Ungestüm dieses Kusses. Als Frau Chanteau sie wieder ankleidete, entfernte er sich von selbst. Die Rückkehr nach Bonneville war lieblich und mühsam zugleich, beide waren vor Müdigkeit wie zerschlagen. Zwischen ihnen ging die Mutter und überlegte, daß es an der Zeit sei, einen Entschluß zu fassen.
    Andere Sorgen bewegten die Familie. Die Schatzfabrik war errichtet, man probierte seit acht Tagen die Apparate aus, die jämmerliche Ergebnisse zeitigten. Lazare mußte sich eingestehen, daß er einige Stücke schlecht berechnet hatte. Er begab sich nach Paris, um seinen Meister Herbelin um Rat zu fragen, und kehrte verzweifelt wieder zurück: Alles mußte von vorn begonnen werden, der große Chemiker hatte seine Methode bereits vervollkommnet, was eine vollständige Umstellung der Apparate bedingte. Inzwischen waren die sechzigtausend Francs verschlungen, Boutigny weigerte sich, auch nur einen Sou mehr hineinzustecken; vom Morgen bis zum Abend sprach er mit der unerträglichen Beharrlichkeit des triumphierenden Praktikers in bitterem Ton über diese Geldverschwendung. Lazare hatte nicht übel Lust, ihn zu verprügeln. Er hätte vielleicht alles aufgegeben, wäre nicht die Angst gewesen, die ihn bei dem Gedanken beschlich, Paulines dreißigtausend Francs in diesem Abgrund zu lassen. Seine Redlichkeit, sein Stolz empörten sich: Das war unmöglich, er mußte Geld auftreiben, man konnte ein Geschäft,

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