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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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junges Kind ausgeübt. Diese Frist von zwei Jahren versetzte Pauline in Bestürzung; aber die Rechtschaffenheit ihrer Tante rührte sie sehr, sie stand auf, um sie zu umarmen. Ein Datum wurde festgesetzt, die jungen Leute würden sich gedulden, und während sie sich geduldeten, würden sie die ersten Taler von den künftigen Millionen verdienen. Die Geldfrage wurde solcherart in einem edlen Aufschwung behandelt.
    »Nimm alles aus dem Schubfach, Tante«, sagte das junge Mädchen immer wieder. »Alles, was er will, wahrhaftig! Es gehört ihm jetzt ebenso wie mir.«
    Frau Chanteau erhob Einspruch:
    »Nein, nein, es wird nicht ein Sou unnötig herausgenommen ... Du weißt, daß man Vertrauen zu mir haben kann, eher ließe ich mir die Hand abhacken ... Ihr braucht zehntausend Francs da unten: Ich gebe euch die zehntausend Francs und schließe dann doppelt wieder zu. Das Geld ist unantastbar.«
    »Mit zehntausend Francs«, sagte Lazare, »bin ich des Erfolges sicher ... Die großen Ausgaben sind gemacht, es wäre ein Verbrechen, den Mut zu verlieren. Ihr werdet schon sehen, ihr werdet schon sehen ... Und dich, mein Liebling, dich will ich am Tage unserer Hochzeit in ein goldenes Gewand kleiden wie eine Königin.«
    Die Freude wurde durch die unerwartete Ankunft von Doktor Cazenove noch erhöht. Er hatte soeben einen Fischer verbunden, der sich die Finger unter einem Boot zerquetscht hatte; und man ließ ihn nun nicht weg, man nötigte ihn, eine Tasse Tee zu trinken. Die große Neuigkeit schien ihn nicht zu überraschen. Allein als er die Chanteaus über die Ausbeutung der Algen schwärmen hörte, sah er Pauline mit beunruhigtem Ausdruck an und murmelte:
    »Zweifellos ist der Gedanke sinnvoll, man kann einen Versuch machen. Aber Zinsen aus Wertpapieren zu haben ist doch sicherer. An eurer Stelle würde ich mich gleich in meinen kleinen Winkel zurückziehen und dort glücklich sein ...« Er unterbrach sich, als er sah, wie ein Schatten die Augen des jungen Mädchens trübte. Die lebhafte Zuneigung, die er für Pauline empfand, bewog ihn, gegen seine Überzeugung fortzufahren: »Oh! Das Geld hat auch sein Gutes, verdient nur recht viel ... Und wißt ihr, ich werde auf eurer Hochzeit tanzen. Ja, ich werde den Zambuco der Karaiben13 tanzen, den ihr nicht kennt, das möchte ich wetten ... So, beide Hände wie Windmühlenflügel, und dazu klatscht man sich auf die Schenkel, und rundherum geht's um den Gefangenen, wenn er gebraten ist und die Weiber ihn zerlegen.«
    Die Monate flossen weiter dahin. Jetzt hatte Pauline ihre lächelnde Ruhe wiedergefunden, nur die Ungewißheit lastete auf ihrer freimütigen Natur. Das Geständnis ihrer Liebe, das für die Hochzeit festgesetzte Datum schienen sogar die Unruhe ihres Fleisches besänftigt zu haben; und sie nahm ohne fieberhafte Erregung das Blühen des Lebens hin, dieses langsame Erblühen ihres Leibes, diese rote Woge ihres Blutes, die sie einen Augenblick lang am Tage gequält und ihr in der Nacht Gewalt angetan hatte. War das nicht das gemeingültige Gesetz? Man mußte heranwachsen, um zu lieben. Im übrigen änderten sich ihre Beziehungen zu Lazare kaum, beide führten ihr Leben in gemeinsamer Arbeit weiter: er unaufhörlich geschäftig, vor einem plötzlichen Ausbruch des Begehrens durch seine Abenteuer in Stundenhotels gewarnt; sie so schlicht, so aufrecht in ihrer Ruhe eines wissenden und unberührten Mädchens, daß sie gleichsam geschützt war durch eine doppelte Rüstung. Manchmal jedoch faßten sie sich mitten in dem vollgestopften großen Zimmer bei den Händen und lachten einander zärtlich an. Bald berührte sich beim gemeinsamen Blättern in einem Handbuch der Algenkunde ihr Haar; oder sie lehnten sich einen Augenblick aneinander, wenn sie ein purpurnes Bromfläschchen, eine blaßviolette Jodprobe untersuchten; oder sie beugte sich auch neben ihm über die Instrumente, die in Mengen auf dem Tisch und dem Klavier herumstanden; sie rief ihn, damit er sie bis zum obersten Brett des Schrankes emporhebe. Doch in diesen stündlichen Berührungen lag nichts als die erlaubte Liebkosung, die ebensogut unter großelterlichen Augen ausgetauscht werden konnte, eine gute, kaum von einem Anflug sinnlicher Freude erwärmte Freundschaft zwischen Cousin und Cousine, die sich eines Tages heiraten sollen. Sie waren, wie Frau Chanteau sagte, wirklich vernünftig. Als Louise kam und sich mit dem niedlichen Frätzchen eines gefallsüchtigen Mädchens zwischen sie stellte, schien Pauline nicht

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