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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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vergingen noch. Doch jetzt gab es zwischen ihnen ein neues Band, den immer gegenwärtigen Tod. Sie machte keinerlei Anspielung mehr auf den Ernst ihres Zustandes, sie fand die Kraft zu lächeln; ihm selber gelang es, vollkommene Ruhe vorzutäuschen und die Hoffnung, von einer Stunde zur anderen zu sehen, wie sie aufstand; und dennoch nahm in ihnen beiden in der längeren Liebkosung ihrer sich begegnenden Blicke alles fortwährend Abschied. Des Nachts vor allem, wenn er bei ihr wachte, hörte schließlich einer des anderen Gedanken, die Drohung der ewigen Trennung erfüllte selbst ihr Schweigen mit Rührung. Nichts war von so grausamer Süße, niemals hatten sie eine so innige Verschmelzung ihrer Wesen gespürt.
    Eines Morgens bei Sonnenaufgang wunderte sich Lazare darüber, wie ruhig der Gedanke an den Tod ihn ließ. Er suchte sich die Daten ins Gedächtnis zu rufen: Seit dem Tag, da Pauline krank geworden, hatte er nicht ein einziges Mal gefühlt, wie ihn das kalte Grausen des NichtmehrSeins vom Kopf bis zu den Fersen durchschauerte. Wenn er zitterte, seine Gefährtin zu verlieren, so war das ein anderes Entsetzen, in dem nichts von der Zerstörung seines eigenen Ichs enthalten war. Das Herz blutete ihm, doch schien es, als mache diese dem Tode gelieferte Schlacht ihn dem Tode gleich, als verleihe sie ihm den Mut, dem Tod ins Angesicht zu schauen. Vielleicht war es auch nur Müdigkeit und Abstumpfung in dem Schlummer, der seine Angst betäubte. Er schloß die Augen, um nicht die Sonne höher steigen zu sehen; er wollte seinen Angstschauer wiederfinden, indem er sich bis zur Furcht steigerte, indem er sich immer wieder sagte, daß auch er eines Tages sterben würde: Nichts gab Antwort, das war ihm gleichgültig geworden, die Dinge hatten eine seltsame Schwerelosigkeit angenommen. Selbst sein Pessimismus wurde zunichte angesichts dieses Schmerzenslagers; statt ihn im Haß gegen die Welt zu bestärken, war seine Empörung gegen den Schmerz nichts als das glühende Verlangen nach Gesundheit, die aufs höchste gesteigerte Liebe zum Leben. Er sprach nicht mehr davon, die Erde gleich einem unbewohnbaren alten Bauwerk in die Luft zu sprengen; das einzige Bild, das ihm keine Ruhe ließ, war das der gesunden Pauline, wie sie in der heiteren Sonne an seinem Arm dahinschritt; und er hatte nur den einen Wunsch, sie noch einmal lachend mit festem Schritt auf die Wege mitzunehmen, auf denen sie gegangen waren.
    An jenem Tage glaubte Lazare, der Tod sei gekommen. Seit acht Uhr war die Kranke von Brechreiz gepackt, jede Anstrengung hatte einen sehr beunruhigenden Erstickungsanfall zur Folge. Bald traten Fieberschauer auf, sie wurde von einem solchen Zittern geschüttelt, daß man ihre Zähne aufeinanderschlagen hörte. Erschreckt rief Lazare aus dem Fenster, man solle einen Jungen nach Arromanches schicken, obgleich er den Doktor wie gewöhnlich gegen elf Uhr erwartete. Das Haus war in trübseliges Schweigen versunken, eine Leere entstand darin, seit Pauline es nicht mehr mit ihrer beschwingten Regsamkeit belebte. Chanteau verbrachte unten schweigsam seine Tage, hielt die Blicke auf seine Beine gerichtet, in der Angst, er könne einen Anfall bekommen, während niemand da war, um ihn zu pflegen; Frau Chanteau zwang Louise zum Ausgehen, beide lebten sie draußen, waren einander nähergekommen und jetzt innig miteinander vertraut; und nur der schwere Schritt Véroniques, die unaufhörlich hinauf und hinunterging, störte den Frieden des Treppenhauses und der leeren Räume. Dreimal war Lazare gegangen und hatte sich über das Geländer gebeugt, ungeduldig, zu erfahren, ob das Hausmädchen jemand zu dem Gang hatte bewegen können. Er war gerade wieder ins Zimmer getreten und betrachtete die ein wenig ruhiger gewordene Kranke, als die angelehnt gelassene Tür leise knarrte.
    »Nun, Véronique?«
    Aber es war seine Mutter. An jenem Morgen sollte sie Louise zu Freunden in der Nähe von Verchemont begleiten.
    »Der kleine Cuche ist gleich losgelaufen«, erwiderte sie. »Er hat flinke Beine.« Dann fragte sie nach einem Schweigen: »Es geht also nicht besser?«
    Mit einer verzweifelten Gebärde wies Lazare wortlos auf die unbeweglich, wie tot daliegende Pauline, deren Antlitz in kaltem Schweiß gebadet war.
    »Dann gehen wir nicht nach Verchemont«, fuhr sie fort. »So was Hartnäckiges, diese Krankheiten, von denen man nichts versteht! Das arme Kind ist wahrlich schwer geprüft.«
    Sie hatte sich gesetzt, sie haspelte mit immer derselben

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