Die Frucht des Bösen
Babysitter aus der Nachbarschaft anheuern. Sie sind in der Regel auf sich allein gestellt, haben den schwersten Job der Welt und können keinen Tag freinehmen.»
«Abgesehen von denen, die es sich leisten können», ergänzte D. D.
«Ja», bestätigte Greg, der jetzt ein bisschen befangen wirkte. «Außerdem stehen sie häufig in Kontakt mit Familien, die ebenfalls psychisch kranke Kinder haben, und so spricht sich schnell herum …»
«Dass Sie gute Arbeit machen», vervollständigte D. D. «Aber wozu diese Heimlichtuerei?»
«Ich wollte meine Anstellung nicht aufs Spiel setzen.»
«Wegen nicht angemeldeten Nebenerwerbs?»
«Es gab in der Vergangenheit Probleme unter Kollegen, die solche Nebenjobs übernommen und sich gegenseitig potenzielle Klienten abzujagen versucht haben. Inzwischen schließt unser Arbeitsvertrag solche Jobs aus.»
«Sie dürfen also außerhalb der Klinik nicht mit den Familien der Kinder in Kontakt treten», übersetzte D. D.
«Genau.»
«Aber Sie haben sich über dieses Verbot hinweggesetzt. Jahrelang.»
Greg wurde rot und senkte den Kopf. «Glauben Sie mir, ich lege es nicht darauf an. Ich werde gebeten zu helfen und dränge mich niemandem auf. So etwas würde ich nie tun.»
«Trotzdem bleibt’s ein Regelverstoß», entgegnete D. D. «Warum gehen Sie das Risiko ein, Ihren Job zu verlieren?»
«Ich brauche das zusätzliche Geld», antwortete er kleinlaut.
«Brauchen oder
wollen
Sie es?»
«Wie gesagt, ich brauche es.»
«Wozu?»
«Für meine Schwester.»
«Würden Sie das bitte genauer ausführen.»
«Sie lebt in einem privaten Heim. Die vom Staat finanzierten Einrichtungen, die für sie in Frage kommen, sind nicht besser als Gefängnisse, und die möchte ich meiner Schwester nicht zumuten.»
«Also haben Sie einen angenehmeren Platz für sie gefunden.»
«Ja. Die Krankenversicherung zahlt einen Teil, ich übernehme den Rest. Das sind zwanzig Riesen im Jahr.»
«Die Sie zuschießen müssen?», staunte D. D.
«Zugegeben, das ist viel Geld. Aber so ist es nun einmal, Angebot und Nachfrage regeln die Preise. Und wenn es um die Betreuung psychisch kranker Menschen geht, wird die Nachfrage immer größer, während das Angebot eher abnimmt. Fragen Sie Karen. Früher hatten wir hier vielleicht eine Handvoll Kinder mit Psychosen. Heute sind es über zehnmal mehr. Wir wissen nicht mehr, wohin mit ihnen. Und die Eltern verzweifeln.»
«Was ist mit Ihren Eltern?», fragte D. D. «Können sie sich nicht um Ihre Schwester kümmern?»
«Nein.»
«Auch das hätte ich gern ein bisschen ausführlicher.»
Doch der Sportlehrer hielt sich bedeckt. Er starrte auf den Tisch und drehte die Getränkedose in den Händen.
«Danielle», sagte D. D. nach einer weiteren Minute Schweigens. «Gehen Sie doch bitte kurz nach draußen.»
«Nein», sagte Greg. «Sie bleibt.»
«Dann reden Sie endlich.»
Er seufzte und schien im Widerstreit mit sich zu liegen. «Meine Eltern sind tot», erklärte er schließlich.
«Wie lange schon?»
«Achtzehn Jahre.»
D. D. rechnete im Kopf. «Sie waren zu diesem Zeitpunkt … zwölf?»
«Vierzehn.»
«Also gut, als Ihre Eltern starben, waren Sie vierzehn Jahre alt – und Ihre Schwester? Älter oder jünger?»
«Älter. Sechzehn.»
«Hat sie sich um Sie gekümmert?»
«Das konnte sie nicht.»
«Weil sie psychisch krank ist?»
«Nein.» Er blickte auf, seufzte wieder und schien sich zu einer Entscheidung durchgerungen zu haben. «Weil sie als Mörderin unserer Eltern inhaftiert war. Sie hat sie vergiftet. Mit Strychnin.»
«Hören Sie, ich kenne die Einzelheiten nicht», sagte Greg. «Ich war noch ein Kind, und meine Schwester … ach, ich weiß nicht. Mir sind im Lauf der Jahre die unterschiedlichsten Geschichten zu Ohren gekommen. Vor Gericht plädierte ihr Pflichtverteidiger auf Notwehr. Es hieß, unser Vater habe sie missbraucht und unsere Mutter sei nicht eingeschritten, weshalb sich Sally nicht anders hätte helfen können, als beide zu töten. Danach hatte sie einen Nervenzusammenbruch. Die Fachärzte attestierten ihr eine schwere Depression und Borderline-Störung. Der Verteidiger meinte, das Syndrom sei Folge des Missbrauchs. Die Staatsanwaltschaft zog schließlich die Mordanklage zurück, machte aber zur Auflage, dass Sally in ein Heim kommt. Unsere Großeltern hatten die Vormundschaft für uns und drängten Sally, auf den Deal einzugehen. Also sagte sie Lebwohl, und wir taten so, als wäre nie etwas geschehen.»
«Wo haben
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