Die Frucht des Bösen
Sie damals gewohnt?», fragte D. D., während sie sich Notizen machte.
«In Pittsburgh.»
«Woher hatte Ihre Schwester das Strychnin?»
«Keine Ahnung. Ich war an dem betreffenden Wochenende mit den Pfadfindern unterwegs.»
D. D. musterte ihn mit skeptischem Blick. «Wann genau war das? Und kann das jemand bezeugen?»
Greg nannte das Datum, einen Ort und die Namen zweier Freunde von damals. Offenbar hatte er diese Information schon häufiger abgeben müssen.
«Halten Sie die Missbrauchsvorwürfe gegen Ihren Vater für berechtigt?»
«Mir selbst ist nie etwas in dieser Richtung aufgefallen.»
«Es könnte also sein, dass Ihre Schwester die Eltern einfach los sein wollte?»
«Ich kann nur sagen, dass ich in unserer Familie keine Gewalt erfahren habe.»
«Was glauben Sie, Greg? War Ihr Vater ein Kinderschänder, oder haben Sie eine kaltblütige Mörderin zur Schwester? Darüber werden Sie sich doch Gedanken gemacht haben.»
«Das tue ich immer noch», sagte er ganz nüchtern. «Aber ich finde keine Antwort.»
«Sie rackern sich krumm und riskieren Ihren Job, damit Ihre Schwester gut versorgt ist. Alle Achtung.»
Greg blieb eine Weile still. Als er wieder sprach, schaute er nicht D. D., sondern Danielle an. «Wahrscheinlich werde ich nie wirklich Bescheid wissen. Aber darauf kommt es mir auch gar nicht an. Entweder hat meine Schwester unseren Vater umgebracht, weil er ihr etwas Schreckliches angetan hat oder weil sie selber unter einer schrecklichen Krankheit litt. Wie auch immer, sie trägt keine Schuld. Und außerdem ist sie die Einzige, die mir aus meiner Familie geblieben ist.»
Danielle sagte nichts. Ihre Miene und Körperhaltung aber sprachen Bände. Mit Nachsicht hatte sie offenbar nicht viel im Sinn.
«Und Ihre Großeltern?», fragte D. D.
«Sind vor einigen Jahren gestorben. Der Verlust, das Verfahren, die Heimunterbringung meiner Schwester – all das hat ihnen sehr zugesetzt, und sie haben sich nie wirklich davon erholt.»
«Sie sind also auf sich allein gestellt und finden hier Ihr berufliches Zuhause. Dann wollen Sie Ihrer Schwester einen besseren Heimplatz gönnen, müssen dafür aber mehr Geld verdienen. Sehr viel mehr Geld. Nur gut, dass die Welt voller verzweifelter Eltern ist, die mit ihren schwierigen Kinder nicht mehr zurande kommen. Geschäftliche Möglichkeiten in Hülle und Fülle. Sie bekamen Ihren ersten freien Job – Wie ging es dann weiter?»
«Die Familie, in der ich war, empfahl mich weiter. Manchmal interessierten sich Eltern auch hier auf der Station für meine Dienste.»
«Mit anderen Worten, Sie haben auch hier akquiriert», bemerkte D. D.
«Ausdrücklich nein», entgegnete Greg entschieden. «Ich bin um Hilfe gebeten worden, in meiner Funktion als qualifizierte Fachkraft. Aber ich habe bestimmt nicht aktiv Werbung für mich gemacht während der Arbeit.»
Danielle meldete sich zu Wort. «Von Karen weiß ich, dass ihr manche Eltern regelrecht auf den Wecker gehen mit dem Wunsch, Mitarbeiter als Babysitter zu ihnen nach Hause zu schicken. Verzweifelte Eltern versuchen alles.»
«Wie sind Sie an die Harringtons gekommen?», wollte D. D. wissen.
«Wir sind uns hier auf der Station begegnet. Ozzie war ein sehr aktives Kind. Nun ja –» Er zuckte mit den Achseln. «Damit habe ich kein Problem. Und weil ich gut mit solchen Kindern zurechtkomme, waren die Harringtons an mir interessiert. Wir verabredeten, dass ich an einem Vormittag in der Woche zu ihnen komme, um mit Ozzie zu spielen. Wir sind in den Park gegangen oder Fahrrad gefahren. So hatten die Eltern ein bisschen Zeit für sich, und Ozzie konnte sich austoben. Alle haben davon profitiert.»
«Wann genau hat das angefangen? Und wie lange ging es?»
Greg musste nachdenken. «Im September vergangenen Jahres, an welchem Tag weiß ich nicht mehr. Es war jedenfalls kurz nach Ozzies Entlassung. Als Patrick neun Monate später seinen Job verlor, kam mein Pflegedienst nicht mehr in Betracht.»
«Und Sie?»
«Ich verstehe Ihre Frage nicht.»
«Sie waren nicht mehr gefragt», stellte D. D. fest. «Wie haben Sie darauf reagiert?»
«Hier ging es nicht um Gefragtsein. Sie hatten einfach kein Geld mehr. Um ehrlich zu sein, taten sie mir leid. Sie hatten es schwer genug. Aber immerhin ging es Ozzie deutlich besser, und deshalb war meine Hilfe auch nicht mehr so dringend nötig.»
«Ozzie ging es deutlich besser? Was heißt das?»
«Sie wissen doch, Andrew hatte mit ihm gearbeitet. Erfolgreich, wie es
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