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Die Frucht des Bösen

Die Frucht des Bösen

Titel: Die Frucht des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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dem Kleiderschrank. «Mommy, Daddy!»
    Und Andrew war über mir.
    «Sehen Sie sich vor!», drohte Michael.
    Glas klirrte, als die Eingangstür aufgebrochen wurde.
    «Daddy, Daddy, Daddy!»
    «Verrecke!»,
brüllte mir Andrew ins Gesicht und ließ das Messer niedersausen.
    Ich dachte an die Liebe meiner Mutter. Ich erinnerte mich an das dämliche Grinsen meiner Geschwister.
    Ich drückte ab.
     
    Der Rückstoß riss meine Hand in die Höhe. Vom Pistolenlauf unterm Kinn getroffen, kippte Andrew hintenüber. Hatte ich ihn erwischt? Blutete er? Meine Ohren dröhnten, meine Augen tränten vor Schmerzen. Ich hatte mir die rechte Hand an der heißen, ausgestoßenen Hülse verbrannt.
    Evan schrie immer noch. Hastige Schritte auf der Treppe.
    «Polizei! Lassen Sie die Waffe fallen!»
    Andrew rappelte sich auf, schüttelte den Kopf.
    Zwei Dinge fielen mir gleichzeitig auf. Er blutete an der rechten Seite und hielt nach wie vor das Messer in der Hand.
    Er blickte auf mich herab und fing an zu grinsen. Michael Oliver warf sich ihm in den Rücken.
    «Waffe fallen lassen! Sofort!»
    Sergeant D. D. Warren kam mit fliegenden Haaren herbei. Sie hatte ihre Pistole auf mich und ihren Blick auf die beiden Männer am Boden gerichtet. Ihr Partner und Victoria waren hinter ihr.
    «Michael», rief Victoria. «Bist du in Ordnung?»
    «Mommy?»,
plärrte Evan aus dem Kleiderschrank.
    «Lassen Sie endlich die Waffe fallen!», schrie D. D.
    Ich legte die Waffe auf den Boden, ohne Andrew aus den Augen zu lassen.
    «Und jetzt treten Sie die Pistole weg von sich», befahl D. D.
    Ich gehorchte. Michael hockte inzwischen auf Andrew und rammte dessen Stirn auf den Boden.
    «Aufhören!», blaffte D. D. wütend. «Stehen Sie auf und verschwinden Sie.
Sofort!
»
    Ihre Stimme war offenbar endlich bis zu Michael durchgedrungen. Langsam löste er seine Hände aus Andrews Haaren und stand auf. Er zitterte am ganzen Leib und keuchte. Sein Gesicht war eine wilde Fratze. Der andere Detective trat vor.
    «Evan ist im Schrank», sagte ich. «Er braucht Hilfe.»
    Meine Worte zeigten endlich Wirkung. Michael rückte von Andrew ab. Victoria war bereits mit den beiden Detectives in Evans Zimmer geeilt. Mit ihrem Sohn im Arm kehrte sie wenig später zurück.
    Sie schaute ihren Mann an. Er schaute sie an. Und im nächsten Moment lagen sie einander in den Armen, ihr Kind zwischen sich.
    Ich verspürte einen Schmerz in der Brust, tief und bodenlos. Meine Mutter, Natalie, Johnny.
    Ich liebe euch. Ich liebe euch. Ich liebe euch. Ihr fehlt mir so sehr.
Ein Lufthauch auf meiner Wange, wie von einem Schmetterling aufgerührt, gleich neben der rechten Schläfe. Ich wollte daran festhalten.
    Ich liebe euch
, dachte ich wieder und ließ dann los, was ich schon vor Jahren hätte tun sollen.
    Der andere Detective kauerte neben Andrews ausgestreckter Gestalt am Boden und fühlte dessen Puls, während D. D. die Pistole auf ihn gerichtet hielt.
    Der Detective legte die Stirn in Falten, blickte zu D. D. auf und schüttelte kaum merklich den Kopf.
    Erst jetzt sah ich, was mir bislang nicht aufgefallen war: die Blutlache, die sich unter Andrew ausbreitete. Als Michael über ihn hergefallen war, hatte Andrew noch das Messer in der Hand gehalten. Es hatte letztlich sein Ziel gefunden.
    «Verlassen Sie bitte das Haus. Alle», befahl D. D.
    Wir gingen hinaus und blieben in der Einfahrt stehen. Die Sonne ging gerade auf. Michael, Victoria und Evan lagen sich wieder in den Armen und schienen einander nicht mehr loslassen zu wollen. Ich stand ein wenig abseits und wandte mein Gesicht dem Licht zu.

[zur Inhaltsübersicht]
    Epilog
    Victoria
     
    Wir haben eine Schule für Evan gefunden, eine Art Internat in einer familienfreundlichen Umgebung im Süden von New Hampshire. Die Kinder leben in betreuten Wohngruppen. Zum Campus gehören ein kleiner See, ein Park und ein Wäldchen. Der Lehrplan umfasst strukturierten Unterricht und viele Aktivitäten im Freien, wo die Kinder frische Luft bekommen, gärtnern lernen und von den Heilkräften der Natur profitieren.
    Mit meditativen Übungen lernen hyperaktive Kinder, sich selbst zu beruhigen.
    Evan ist noch sehr nervös, aber nicht mehr heimtückisch. An den Wochenenden können wir ihn besuchen. Wenn er weiter Fortschritte macht, darf er während der Ferien zu uns kommen. Es scheint sich mit ihm alles zum Besseren zu wenden. Ja, er bekommt nach wie vor Medikamente, und, ja, auch wir werden noch einiges dazulernen müssen.
    Aber die Schule ist

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