Die Frucht des Bösen
großartig. Evan wird ruhiger. Unsere Familie wächst wieder zusammen.
Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf eine Anklage und folgt damit dem Antrag unseres Rechtsanwalts, der plausibel darlegen konnte, dass Evan unter dem unheilvollen Einfluss von Andrew Lightfoot stand. Und weil sich die Strafverfolgung eines Kindes, das von seinem Wunderheiler gekidnappt worden war, als Schlagzeile ohnehin nicht besonders gut machen würde, hat man die Sache auf sich beruhen lassen. Evan verbrachte noch eine Woche in der Kinderpsychiatrie, wo man ihn medikamentös einstellte und einen Hilfeplan für ihn erarbeitete. Für den Rest des Sommers und bis zum Schulbeginn war er wieder bei mir.
Mir blieb Zeit zur Genesung und für den obligatorischen Einkaufsbummel mit Chelsea anlässlich des neuen Schuljahres, das unmittelbar bevorstand.
Begleitet von Michael, der den Anstandswauwau spielte, besuchte uns Chelsea in der vergangenen Woche zweimal. Evan war außer sich vor Freude, verstauchte sich mehrere Finger an der Eingangstür, stolperte über die eigenen Füße und schubste Chelsea in seinem Übermut vor den Fernseher. Aber sie hielt durch, ich hielt durch, und Michael tat es auch. Je ruhiger wir blieben, desto ruhiger war Evan. Gegen Ende des zweiten Besuches gelang es uns sogar, Scharaden zu spielen. Chelsea gewann. Als ich sie mit einer Umarmung beglückwünschte, klammerte sie sich an mich und weinte. Ich weinte mit ihr.
Manchmal muss man einfach weinen.
Die Hochzeit wurde verschoben. Es gebe zurzeit Wichtigeres, erklärte Michael, und ich meinte, einen vertrauten Glanz in seinen Augen zu erkennen. Ich weiß, dass auch meine Augen glänzten.
Ich spiele mit dem Gedanken, wieder als Innenarchitektin zu arbeiten. Außerdem nehme ich mir fest vor, jede Sekunde, die ich mit meinen Kindern verbringe, ausgiebig zu genießen. Ich werde wieder ich selbst sein, unabhängig, schön und stark.
Ich glaube, wenn mir das gelingt, hat Michael keine Chance.
D. D.
D. D. war glücklich, wenn ein Fall als gelöst zu den Akten gelegt werden konnte. Tödlich verletzt an der Oberschenkelarterie, verstarb Andrew Ficke alias Andrew Lightfoot noch am Tatort. Die Beweislast gegen ihn war erdrückend.
Auf dem Beifahrersitz seines Wagens wurde eine Elektroschockpistole aus Armeebeständen sichergestellt. Im Labor konnte nachgewiesen werden, dass mit ihr Patrick Harrington, Hermes Laraquette, Danielle Burton und Victoria Oliver attackiert worden waren. In der Waffe steckte Munition, die offenbar vom Schwarzmarkt stammte und kein Konfetti hinterließ, wenn sie abgefeuert wurde.
Bei der Durchsuchung von Andrews Strandhaus wurde eine Tüte Kabelbinder gefunden, die in Größe, Farbe und Festigkeit denjenigen entsprachen, mit denen Danielle Burton und die Olivers gefesselt worden waren. Der Matchbeutel im Kofferraum des Wagens erstrahlte wie ein Feuerwerk zum vierten Juli, als er unter UV -Licht auf Körperflüssigkeiten hin untersucht wurde. Auf Kleidungsstücken, die darin gesteckt hatten, waren Blutspuren zurückgeblieben, die drei verschiedenen Mordopfern zugewiesen werden konnten.
Andrew Lightfoot hatte mit allen Opfern privat verkehrt. Auch nachträglich ließen sich keine Alibis für die Tatzeiten ermitteln. In der Nacht, als Lucy erhängt wurde, war er von Überwachungskameras beim Betreten des Krankenhauses aufgenommen worden. Die Feuerwehr entdeckte in Belüftungsschächten insgesamt fünfzehn Rauchbomben. Dass sie dort von Andrew versteckt worden waren, belegten seine Fingerabdrücke an den Revisionsklappen.
Für D. D. war die Sache klar. Andrew hatte seine Welt der spirituellen Zwischensphären ein wenig zu ernst genommen und war davon überzeugt gewesen, dass die Seele seines Vaters und deren Rettung Vorrang hatten vor der körperlichen Unversehrtheit diverser Zeitgenossen. Hinzu kam wohl auch, dass er Danielle Burton terrorisieren wollte, weil sie ihm einen Korb gegeben hatte.
Alex übernahm Andrews Verteidigung. «Er war ein Heiler und hatte bei seinen Klienten einen guten Ruf –»
«Jüngern.»
«Klienten. Aus einem respektierten Schamanen wird nicht über Nacht ein Massenmörder.»
«Er war von Danielle besessen, aber sie wollte nichts mit ihm zu tun haben. Wie viele Körbe kann ein Mann wegstecken?»
«Danielle hat ausgesagt, er habe die Seele seines Vaters retten wollen. Wie wollte er das mit seinen Morden bewerkstelligen?»
D. D. zuckte mit den Achseln. «Tja, es haperte bei ihm wohl nicht zuletzt an der
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