Die Frucht des Bösen
seine Lippen um den von dünnem Gewebe bedeckten Nippel schlossen, packte mich eine Lust, die heftiger war, als jeder Schmerz es zu sein vermochte.
Ich machte mich über den Mann her, der mir als Kind das Leben gerettet hatte, und für einen kurzen Moment gehörte er mir.
Erst Jahre später, nachdem ich studiert hatte und mehr von Psychologie verstand, wurde mir bewusst, was ich Sheriff Wayne in dieser Nacht angetan hatte. Ich hatte ihn kompromittiert und gezwungen, an meinen Verletzungen mitzutragen. Er, der anständige Kerl, musste nach dieser Nacht damit zurechtkommen, dass er seinen eigenen Ansprüchen als Ehemann, Vater und Polizist nicht gerecht wurde.
Danach träumte ich nicht mehr von seiner tröstenden Stimme. Ich war allein mit all dem Blut und Schießpulvergestank. Niemand trug mich aus dem Elternhaus.
Es war wohl das Mindeste, was ich an Strafe verdient hatte.
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5 . Kapitel
Kurz vor Mitternacht verließen sie den Tatort. Nicht, dass schon alles Nötige getan wäre, aber fürs Erste sollte es reichen. Die Detectives kehrten zur Lagebesprechung ins Präsidium zurück. Es musste geklärt werden, welche Kollegen unter wessen Leitung in diesem Fall ermitteln sollten.
Die Wahl fiel auf D. D., was nicht wirklich überraschte. Trotzdem hielt sie es für angebracht, eine kleine Rede zu halten.
«Ich möchte mich im Namen meines Teams für euer Vertrauen in uns bedanken. Wir werden alles daransetzen, es nicht zu enttäuschen –»
Manche auf den hinteren Plätzen gaben alberne Geräusche von sich, andere bewarfen sie mit zusammengeknüllten Papierschnipseln. Einen davon fing sie in der Luft ab und warf ihn zurück.
«Ich schätze, morgen ist die Sache im Kasten.»
Wieder wurde gejohlt, und einer bemerkte, dass morgen bereits in wenigen Minuten sei. D. D. hob ein Papierbällchen vom Boden auf und traf damit den Schlauberger zwischen die Augen.
«Dann könnt ihr euch ja gleich wieder um die Sicherheit der braven Bürger unserer Stadt kümmern», rief sie in den allgemeinen Trubel hinein. «Der Fall ist bei uns in guten Händen.»
Der stellvertretende Department-Leiter verdrehte die Augen, hielt sich aber bedeckt. Es war eine lange Nacht an einem scheußlichen Tatort gewesen; die Kollegen sollten ruhig ein bisschen Dampf ablassen.
«Sie werden der Presse ein paar Worte sagen müssen», meinte der Chef.
«Mach ich gleich morgen früh», versprach D. D.
«Und was werden Sie denen erzählen?»
«Das weiß ich noch nicht.» Sie nahm ihr Jackett von der Rückenlehne und gab ihrem Teamkollegen Phil zu verstehen, dass sie es eilig hatte. «Wenn wir aus dem Krankenhaus zurück sind, wird mir was Passendes eingefallen sein.»
Patrick Harrington, bis vor kurzem Vater von drei Kindern, hatte die Operation überstanden und lag seit drei Stunden auf der Intensivstation, als D. D. und Phil im Krankenhaus eintrafen. Die Schwester vom Dienst erklärte, dass der Patient nicht vernehmungsfähig sei.
«Das zu beurteilen, überlassen Sie besser uns», entgegnete D. D. und zückte ihren Ausweis.
Die Krankenschwester zeigte sich unbeeindruckt. «Schätzchen, der Patient befindet sich im künstlichen Koma und hat einen Apparat am Kopf, der den Innendruck des Gehirns misst. Mir ist egal, was Sie mit ihm vorhaben, aber fest steht: Sie werden nichts von ihm erfahren, weil er nicht sprechen
kann
.»
Das war ein Argument. «Wann wird er denn voraussichtlich wieder zu sich kommen?», fragte D. D.
Die Krankenschwester taxierte sie vom Scheitel bis zur Sohle. D. D. erwiderte ihren musternden Blick. In Krankenhäusern galten Regeln zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Patienten, und diese Regeln waren gesetzlich verbrieft. Aber eine Polizistin, selbst – oder gerade – wenn sie übernächtigt war, legte menschliche Maßstäbe an. Manche Krankenschwester hatte ein Brett vorm Kopf; es gab aber auch welche, die mit sich reden ließen.
Die Krankenschwester nahm eine Akte zur Hand und warf einen Blick darauf. «Sie wollen meine Meinung als Fachkraft hören?», sagte sie. «Ich habe keine Ahnung.»
«Wie ist die Operation verlaufen?», fragte Phil. Die Schwester schaute ihn an, bemerkte den Ketchupfleck auf seinem weißen Polohemd und schmunzelte.
«Das Projektil konnte entfernt werden. Jetzt heißt es abwarten.»
D. D. lehnte sich an den Schalter. Der Körpersprache nach hatte die Frau sich ein wenig entspannt. Die Gelegenheit war günstig, um nachzuhaken. D. D. las ihren Namen auf
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