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Die Frucht des Bösen

Die Frucht des Bösen

Titel: Die Frucht des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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durch die Tür offen zu halten.
    Ich war stärker.
    Aber sie war schneller, ein Wirbelwind aus grünem T-Shirt und weißen, zuckenden Gliedern.
    Sie trat wieder mit dem Fuß zu und traf mich seitlich am Knie. Vor Schmerz ließ ich das Kofferradio fallen. Sie hob den Kasten auf und schleuderte ihn gegen das Fenster, von dem er krachend abprallte und am Boden landete. George Winston klimperte unbeeindruckt weiter.
    Lucy schien davon keine Notiz zu nehmen. Ich hatte mich wieder berappelt und eilte zur Tür, aber sie schnitt mir den Weg ab und trieb mich zurück ins Zimmer. Ich versuchte, sie auf Abstand zu halten, blieb hinter der Matratze, immer mit Blick auf die Tür.
    Aber die Matratze konnte Lucy natürlich nicht aufhalten. Sie sprang darüber hinweg und attackierte mich so schnell, dass mir keine Zeit zur Gegenwehr blieb. Sie rammte mir den Kopf in den Bauch und warf mich mit Wucht zurück vor die Fensterwand, wo sie mich heftig mit gekrallten Fingern und Knietritten traktierte. Ich versuchte, sie zu packen zu bekommen und irgendwie zu bändigen. Doch es war sie, die meinen Arm mit beiden Händen zu fassen bekam. Sie schleuderte mich herum, sprang mir auf den Rücken und griff mit beiden Händen in meine Haare.
    Ich taumelte rücklings vor die Seitenwand, doch sie hielt an mir fest und versuchte, mich zu würgen. Ich erinnerte mich, wie sich Greg in solchen Fällen half, beugte den Rumpf und ließ sie über meine Schulter nach vorn rutschen.
    Sie landete so hart auf dem Boden, dass ihr die Luft wegblieb. Ich sah, wie sich ihre Augen weiteten und der Mund ein lautloses
Oh
bildete. Schnell, bevor sie wieder auf die Füße kam, drückte ich eine Tablette in das erste Käsestück und zerquetschte es zu einer Kugel, die ich ihr über den Boden zurollte. Dann eilte ich zur Tür.
    Ed stand im Flur und blickte mir entsetzt entgegen.
    «Was zum –»
    «Still! Sie ist noch außer Kontrolle.»
    Und als wollte sie mir recht geben, war Lucy wieder auf den Beinen, wenn auch schwankend und mit leerem Blick. Taumelnd kam sie näher und trat gegen die Käsekugel, die gut zwei Meter über den Teppich rollte.
    Wie gebannt blieb sie stehen und starrte auf die Kugel.
    Ich hielt die Luft an und präparierte die beiden anderen Käsestücke.
Katze
, dachte ich. Wenn sie sich als Katze fühlen konnte, war Lucy ruhig.
    Ich rollte das zweite Käsestück wie eine Murmel in ihr Blickfeld. Lucy folgte ihr mit den Augen, richtete den Blick aber dann blitzschnell auf die erste Kugel zurück. Ich sah, wie sie sich duckte und instinktiv eine katzenhafte Haltung annahm. Jetzt warf ich ihr auch das dritte Stück zu, das sie geschickt auffing und durch die Luft wirbeln ließ.
    «Wo ist das Ativan?», fragte Ed. «Um Himmels willen, Danielle …»
    «Sei still!»
    Ich wollte sie nicht ablenken. Sie sollte sich auf den Käse konzentrieren.
Spiel mit den netten Kügelchen, wirf sie in die Luft. Und schluck sie.
    Sie ließ mich warten, fünf Minuten lang, sechs, sieben, acht. Eine der Kugeln löste sich schon auf. Mir stockte der Atem. Ich fürchtete, die Tablette könnte darin zum Vorschein kommen. Aber in dieser Kugel steckte sie nicht. Lucy hielt inne und leckte die Cheddar-Krümel vom Boden auf. Dann machte sie sich über die anderen Kugeln her. Eins … zwei … drei.
    Der Käse war verzehrt, die Tablette geschluckt. Erleichtert und erschöpft lehnte ich mich an den Türrahmen. Wie wackelig ich auf den Beinen stand, bemerkte ich erst jetzt. Meine Arme brannten, meine Handrücken waren total zerkratzt, von meiner Wange lief Blut.
    «Wie …? Hast du …?», stammelte Ed.
    «Die Tablette hat im Käse gesteckt», murmelte ich und zog ihn weg von der Tür. «Sie braucht noch ein paar Minuten. Aber dann wird sie schlafen.»
    «Mein Gott, Danielle, dein Gesicht, dein Hals … Du musst zum Arzt.»
    «Dann ist es ja gut, dass wir in einem Krankenhaus arbeiten», entgegnete ich heftiger als beabsichtigt. Meine Nerven lagen bloß. Ich wünschte, Greg wäre hier. Ich wünschte … ich brauchte …
    Dann dachte ich an George Winston, der immer noch aus dem Kofferradio am Boden zu hören war, wollte lachen und gleichzeitig weinen und wusste, dass für keins von beidem meine Kraft gereicht hätte.
    Ich verzog mich ins Badezimmer, wusch mir das Gesicht und verweigerte mich in aller Entschiedenheit der Einbildung, meinen Vater singen zu hören.
     
    Als ich eine Viertelstunde später in Lucys Zimmer zurückkehrte, lag sie zusammengerollt in einer Ecke. Sie

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