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Die Frucht des Bösen

Die Frucht des Bösen

Titel: Die Frucht des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Maßstäbe sind also nicht allzu hoch.»
    «Du fehlst mir auch», versicherte er.
    Beide verstummten und versuchten, sich wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren.
    «Glaubst du, der Mann war’s?», fragte Bobby.
    «Bis jetzt sind noch keine Drogen aufgetaucht.»
    «Zumindest nicht hier im Haus», räumte er ein. «Schauen wir doch mal hinterm Haus nach.»
    Hinterm Haus fanden sie eine kleine Holzhütte, die von außen wie ein Abtritt aussah. Darin stapelten sich Marihuanaballen bis zur Decke.
    «Hallo, Dealer», murmelte Bobby.
    «Goodbye, Bandenkrieg», korrigierte D. D.
    «Wieso?»
    «Wann hat das letzte Mal ein Dealer einen anderen kaltgemacht, ohne dessen Vorräte einzusacken? Wenn es hier um Drogen gegangen wäre, wäre das Zeugs nicht mehr hier.»
    «Vielleicht haben die Täter es nicht gefunden.»
    Sie warf ihm nur einen kurzen, mitleidigen Blick zu und schaute dann überaufmerksam auf ihre Uhr. «Wir haben das Zeug gefunden – in weniger als sechzig Sekunden.»
    «Wenn kein Bandenkrieg, was dann?»
    «Keine Ahnung.»
    Es wurde wieder still zwischen den beiden. Dann sagte Bobby: «Du leitest die Ermittlungen, ich leiste Abbitte.»
    Sie starrte in seine grauen Augen, dann auf die breiten Schultern, an denen sie sich einmal ausgeweint hatte. «Sei’s drum», sagte sie.
    Sie gingen wieder ums Haus herum.
    Bobby bog in die Einfahrt ab.
    D. D. kehrte an den Tatort zurück.

[zur Inhaltsübersicht]
    13 . Kapitel
    Danielle
     
    Kurz nach Mitternacht fing Lucy zu schreien an. Aufgeschreckt durch ihr verzweifeltes, schrilles Geheul, stürzten wir alle hinaus in den Flur und begingen den Fehler, zu viert ihr Zimmer zu betreten. Der Anblick so vieler Erwachsener auf einmal versetzte sie noch mehr in Angst und Wut.
    Sie schlug mit den Fäusten auf die Fensterscheibe ein, und weil das Panzerglas nicht zersprang, wirbelte sie herum, nahm Anlauf und warf sich vor die gegenüberliegende Wand. Ihr Kopf prallte zurück. Schreiend rannte sie auf die nächste Wand zu. Sie trug immer noch ihr übergroßes T-Shirt, das wie ein riesiger grüner Umhang um ihre dürren Knie flatterte.
    Mit erhobener Hand forderte ich alle auf, still zu stehen. Eigentlich war meine Schicht längst vorbei, aber ich hatte mich noch mit Karen und Greg unterhalten und anschließend Papierkram erledigt. Von den vergangenen achtundvierzig Stunden hatte ich sechsunddreißig gearbeitet, war müde und mitgenommen von Lucys Alleingang wie auch vom Besuch der Detectives. Als die gegangen waren, hatte ich mich dummerweise im Internet durch die Meldungen über die Tragödie in Dorchester geklickt und versucht, mir Ozzie in diesem hübschen dreigeschossigen Haus vorzustellen. Ozzie, Patrick, Denise, Ozzies ältere Geschwister.
    Und wieder hatte ich im Geiste die Stimme meines Vaters gehört.
«Oh Danny girl. My pretty, pretty Danny girl.»
    Seitdem waren zweieinhalb Tage vergangen. Sechsunddreißig Stunden.
    «Sie dissoziiert», murmelte Cecille, eine unserer MC s, neben mir.
    Cecille hatte recht. Lucys dunkle Augen wirkten glasig. Sie schlug auf Sachen ein, die nur sie sehen konnte. Von ihrem Albtraum ins Niemandsland zwischen Schlaf und Wachen geführt, reagierte sie auf unsere Anwesenheit, ohne diese einordnen zu können. Es war fast unmöglich, Kinder aus einem solchen Zustand herauszuholen, und meist nahmen solche Episoden kein gutes Ende.
    Wieder warf sich Lucy gegen eine Wand und hämmerte mit den Fäusten auf ihren Kopf ein.
    «Ativan», sagte Ed, ein älterer MC , schwergewichtig und mit schütterem Haar. Er kochte gern, wofür ihn die Kinder liebten.
    «Was anderes bleibt uns wohl nicht übrig», erwiderte ich.
    «Ich halte sie fest.» Ed setzte schon an, um sie einzufangen und mit seinen kräftigen Armen zu umschlingen. Manche Kinder beruhigte es, überwältigt zu werden. Aber ich wusste inzwischen, dass Lucy nicht zu dieser Gruppe gehörte.
    «Warte», sagte ich und hielt ihn zurück. «Wenn du sie berührst, flippt sie vollends aus.»
    «Das ist sie doch schon. Wir müssen sie sedieren, bevor hier alles aus dem Ruder läuft. Es ist mitten in der Nacht, Danielle. Du weißt, was das bedeutet.»
    Ja, das wusste ich, aber ein so gestörtes Kind wie Lucy mit Gewalt zu beruhigen … mir wurde allein von der Vorstellung schlecht.
    «Alle raus», befahl ich. «Raus mit euch. Wir erreichen hier nichts.»
    Lucy war wieder am Fenster und trommelte gegen die Glasscheibe. Ihr schien bewusst zu sein, dass das Glas nicht brechen würde und sie nicht entkommen

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